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Samstag, 10. August 2013

"...dann gehen wir eben um die Ecke zu den Biertrinkern"

Der Badische Weinbauernverband schlägt Alarm: der Weinbauregion Breisgau gehen die Weinprinzessinnen aus. "Seit zehn Jahren ist es schwierig, Weinprinzessinnen zu finden", klagt Verbands-Bereichsvorsitzender Urban Kerner* (61). "Die Aufgabe der Weinprinzessin ist es, den Breisgauer Wein zu repräsentieren, bei Festeröffnungen eine Ansprache zu halten und mit jungen Leuten in Kontakt zu treten", führt Kerner weiter aus. "Überwiegend sind die Veranstaltungen am Wochenende. Wenn die Weinprinzessin angefordert wird, dann muss sie kommen. Das ist eine Pflichtaufgabe."

Eine Pflicht, der sich offenbar immer weniger junge Frauen unterwerfen wollen. Dabei seien die Anforderungen an das Amt durchaus nicht übertrieben hoch, so Kerner: "Man muss keine Sommelière sein. Man muss Liebe zum Wein haben, gerne ein Glas Wein trinken. Wenn ich nur Saft trinke, dann kann ich keine Weinprinzessin werden. Sie muss keine Winzertochter sein, aber sich im Bereich des Weins gut auskennen." Als weitere unverzichtbare Eignungskriterien nennt der Verbandssprecher: "Bewerberinnen müssen volljährig sein und aus dem Breisgau stammen. Sie dürfen nicht verheiratet sein. Wir suchen einfach eine junge adrette Frau in einem vernünftigen Alter."

Dass die Zahl der Bewerberinnen seit Jahren rückläufig ist, empfindet Urban Kerner als umso unverständlicher, als das Amt der Weinprinzessin durchaus mit einigen Privilegien verbunden sei: "Sie bekommt für ein Jahr ein Auto gesponsert. Kein Porsche, aber ein adrettes, schönes Auto. Die Prinzessin darf kostenlos Wein trinken auf den Festen. Dort ist sie natürlich Ehrengast."

"Adrettes Auto, dass ich nicht lache", widerspricht Insa-Marie Ziepebusch* von der Interessengemeinschaft ehemaliger Weinprinzessinnen e.V.: "Wenn man jedes Wochenende von einem Weinfest zum anderen gondeln muss, dann braucht man einfach ein Auto. Das ist kein Privileg, sondern eine simple Notwendigkeit. Ob das Auto adrett ist oder nicht, ist dabei absolut zweitrangig. Aber der Weinbauernverband hat irgendwie so eine fixe Idee von Adrettheit." Das kostenlose Weintrinken, so fügt sie hinzu, stoße zudem auch schnell an seine Grenzen, wenn man immer mit dem Auto unterwegs sei.

Einig sind sich Kerner und Ziepebusch darin, dass der Mangel an Weinprinzessinnen eine zusätzliche Belastung für die wenigen verbleibenden Amtsträgerinnen darstellt. "Es gibt ja nicht weniger Weinfeste, nur weil es weniger Weinprinzessinnen gibt", seufzt Frau Ziepebusch. "Also ist man noch mehr unterwegs."

Der Badische Weinbauernverband denkt deshalb verstärkt darüber nach, die Anzahl der Weinfeste im Breisgau zu reduzieren oder zumindest auf eine geringere Anzahl von Standorten zu konzentrieren. Doch mit solchen Plänen machen die Funktionäre sich an der Basis keine Freunde. "Das mag für Freiburg funktionieren", merkt der Gastronom Dirk Pichler*, Kreisvorsitzender der Weintrinkervereinigung, dazu an, "für Weintrinker auf dem Land bedeutet aber die Verlängerung einer einfachen Strecke von 30 auf 60 Kilometer, dass Weinfeste praktisch nicht mehr stattfinden werden". Vor allem die älteren Breisgauer würden dann sagen: "Dann gehen wir lieber zu den Biertrinkern um die Ecke." Urban Kerner hält solche Bedenken für übertrieben: "Der ganze Breisgau ist doch nur gut 1.300 km² groß, so weit können die Entfernungen da doch gar nicht sein", gibt er zu bedenken.

Dennoch regt sich an der Basis Widerstand gegen die Zusammenlegungspläne. Woche für Woche gehen beim Weinbauernverband Briefe ein, in denen Alternativen zur Verringerung der Weinfest-Standorte angeregt werden. So wird gefragt, ob es nicht auch Weinfeste geben könnte, bei denen nicht zwingend eine Weinprinzessin dabei sein muss. Bei einem Studientag in Dirk Pichlers Gartenlokal "Naboths fröhliches Weinbergle" erklärte die emeritierte Weinkönigin Lonny Buber-Rebentisch* den 150 Zuhörern, warum der neue Zuschnitt der Weinfestbezirke nur eine Übergangslösung sein könne und der Prinzessinnenmangel grundsätzlich angegangen werden müsse. Zum Beispiel indem man den Pflichtzölibat abschafft oder "Feminae probatae", erfahrene, verheiratete Frauen zu Weinprinzessinnen macht. "Auch die Zulassung von Männern zum Amt der Weinprinzessin", so Buber-Rebentisch, "darf kein Tabu sein."

Urban Kerner hält von derlei Plänen, gelinde gesagt, nicht viel. "Ich warne davor, nur wegen einer momentanen Krise bewährte Traditionen in Frage zu stellen", betont er. Ungemach droht ihm und seinem Verband derweil auch aus einer anderen Richtung: Mehrere lokale GRÜNEN-Politikerinnen sind auf die schwelende Debatte aufmerksam geworden und fordern die generelle Abschaffung des Amtes der Weinprinzessin, da dieses die Monarchie verherrliche und junge Frauen instrumentalisiere, um dem Alkoholismus ein romantisierendes Mäntelchen umzuhängen.



* alle Namen von der Redaktion geändert.


[Quellenhinweis: Dieser Blogbeitrag ist ein spontan zusammengeschusterter "Remix" aus diesem und diesem Presseartikel. Ich fand, das passt irgendwie...]

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