Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Donnerstag, 25. Mai 2017

Leistungsschau der Zivilreligion



Christi Himmelfahrt! Allerdings eben auch Deutscher Evangelischer Kirchentag, und zwar in Berlin. Was natürlich bedeutete: War ich vor zwei Jahren, als der DEKT in Stuttgart stattfand, noch freiwillig hingefahren, gab es diesmal praktisch kein Entrinnen. Schon auf dem Weg zur Kirche trafen wir mehrere Grüppchen von Leuten mit charakteristischen orangefarbenen Halstüchern. "Hier muss irgendwo ein Nest sein", meinte meine Liebste, und so war es auch: Die nahe Schule wurde offenbar als Unterkunft für Kirchentagsbesucher genutzt. 

(Ich sag's nicht gern, aber Leute, die mit ehrlicher Begeisterung zum Kirchentag anreisen, wecken in mir immer eine ganz sonderbare Mischung aus Mitleid und Verachtung.) 

In der Messe zu Christi Himmelfahrt wurde der Kirchentag nicht in der Predigt und auch nicht - wie ich es durchaus schon mal erlebt habe - im Eucharistischen Hochgebet, wohl aber in den Fürbitten erwähnt - und zwar in folgender, mir durchaus behagender Weise: 
"Möge es ein Fest des Glaubens sein und nicht nur ein Fest der Meinungen. Möge es ein Zeugnis für Jesus Christus sein, der in dieser Stadt so oft vergessen zu werden scheint."  
(Spoiler: Es blieb ein frommer Wunsch.)

Nach der Messe gab's erst mal Frühstück, und danach ging's auf zum Messegelände, wo der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag unter dem Motto stattfand:

Oder so ähnlich. 

Und suche mich nicht in der Unterführung. 


Ich war übrigens schon im Vorfeld etwas konsterniert gewesen, dass der sogenannte "Markt der Möglichkeiten" nicht - wie die Kirchenmeile beim Katholikentag im Vorjahr - auf öffentlichen Plätzen stattfand und somit ohne Eintritt besucht werden konnte, sondern in den Messehallen untergebracht war. Um den Erwerb je einer Tageskarte kamen wir also schlechterdings nicht herum. Na gut. Eine junge Frau, die in der Organisation von sowohl Kirchen- als auch Katholikentagen arbeitet, hat uns mal erzählt, für die EKD sei es "ein Politikum", wie viele Leute zum Kirchentag kommen. Unter diesen Voraussetzungen leuchtet es natürlich ein, dass auf keinen Fall jemand aufs Kirchentagsgelände kommen sollte, ohne ein Ticket zu erwerben. Die wären ja für die Statistik verloren gewesen - vom Geld mal ganz zu schweigen. 

Am Souvenirshop rasch vorbei, der Eintritt war schon teuer genug. 

Ein Glück, dass wir Hosty, den lustigen Krümelkeks, mitgenommen hatten. Der konnte direkt als tragbares Kirchentagsmaskottchen durchgehen. 


Den "Sommergarten" erreichten wir gerade rechtzeitig, um noch ein bisschen was vom leider sehr schwach besuchten Auftritt von Miriam Buthmann & Band mitzubekommen. 


Anschließend kauften wir uns ihre neue CD "Mein Gott". Ich habe - aus Gründen - schon jetzt den Verdacht, dass sie nicht ganz so gut sein wird wie das Vorgängeralbum "Mit einem anderen Blick", aber vielleicht täusche ich mich ja. Rezension folgt demnächst. 

Mire-Plakat und Mire in echt. Letztere hier allerdings nur von hinten. 

Und dann erst mal wieder rein in die Messehallen. 

Älter werden ist nicht schwer, älter sein dagegen sehr. 

Verkitschte Kreuze

"I appreciate that they did wear verstments, but... well." 
Und hier übrigens der größte unfreiwillige Lacher des Tages. Ein junger Mann pries mir den neuen 0-€-Luther-Geldschein an, über den ich schon auf der Facebook-Seite meines allerzweitliebsten Bistums etwas gelesen hatte
"Der soll symbolisieren, dass Gottes Gnade nichts kostet. Weil, früher haben die Leute ja geglaubt, sie müssten dafür Geld bezahlen." 
"Ach so", erwiderte ich. "Antikatholische Geschichtsklitterung." 
"Ja, genau." 
-- Ich glaube, der junge Mann hatte meinen Einwand nicht so richtig gehört oder verstanden. Aber das war noch nicht der Lacher des Tages. Sondern: 

Der 0-€-Schein kostet 2,50 €. 


Kritik am Luther-Kult gab es durchaus auch:


Andererseits aber auch dies:

Das, sollte man denken, ist schon nicht mehr parodierbar.


Oder vielleicht doch? 
So richtig originell war die Idee mit den Thesen allerdings nicht - die SPD hatte dieselbe Idee gehabt: 


Und die LINKE ooch.


Fehlte eigentlich nur noch eine Thesenanschlagsäule der AfD. Das hätte interessant werden können. 

Merke: Wenn die LINKE sich "religiöse Diversity" auf die Fahnen schreibt, dann gute Nacht. 



Linker als links geht's allerdings auch. 


Am Stand der SPD sprach, als wir da vorbeikamen, gerade Eva Högl, unermüdliche Kämpferin für Abtreibung (nicht im Bild). Wir gingen schnell weiter, um nicht der Versuchung zu erliegen, Streit anzufangen. 

Ruft doch mal Martin! 

(Oder ist Euch dieser Herr lieber?) 
 Die wahre Revolution gab's derweil am Waffelstand:


Okay, das Motto würde theoretisch auch zum "Dinner mit Gott" des Mittwochsklubs passen. 

Und noch ein Geheimtipp: An Fressbuden mit Fleisch... 



...ist beim Kirchentag die Warteschlange signifikant kürzer als bei solchen mit politisch korrektem Essen. 


Warum bloß? -- Tja, weil: 







Das hier fällt wohl ein bisschen aus dem Rahmen. Aber man ist ja tolerant. 
Der einzige Engel, an den Protestanten glauben. 

Zeitweilig fand ich, diese Bezeichnung träfe recht gut auf die ganze Veranstaltung zu...

Boah, ist das 80er.
Insgesamt fand ich die Konsequenz, mit der explizite christliche Bekenntnisse vermieden wurden, bemerkenswert. 




Stattdessen ging es munter multireligiös zu. 


Nanu, was ist aus den anderen sieben geworden? 


Kommt ja nicht so drauf an, welches Buch. 

Den wortspielerischen Variationen zum Motto der Veranstaltung waren übrigens keine Grenzen gesetzt.

Immerhin fand Plüschesel Pepe neue Freunde_ 



Aber so sehr man sich auch über Manches amüsieren mochte: Alles in allem hatte die extreme geistliche Leere dieser Veranstaltung schon auch etwas Belastendes. Da war der Katholikentag in Leipzig letztes Jahr nicht halb so schlimm gewesen. Okay: Der Evangelische Kirchentag ist keine religiöse, sondern eine politische Veranstaltung. Dessen sind sich wohl so ziemlich alle Beteiligten mehr oder weniger bewusst. Aber wäre es dann nicht ehrlicher, man würde sich den notdürftigen religiösen Anstrich auch noch klemmen? 

Grässliches Vokabular.

Die Lauenfunktionäre proben den Aufstand. Mal wieder. Gähn.
("Lauenfunktionäre" war ursprünglich ein Tippfehler, aber jetzt lasse ich das so stehen. Passt schon.)
Ziemlich schwach besucht war's übrigens auch. Hat ja auch was Beruhigendes. 



Selfie vom Kirchentagsmaskottchen - draußen auf der Wiese ließ es sich aushalten. 

Aber gegen 17 Uhr kapitulierten wir dann doch. 

 Und was sonst noch zu sagen wäre...:






6 Kommentare:

  1. Das ist ja unsäglich peinlich.
    Was immer man gegen Martinum Lutherum sagen mag, er konnte Deutsch und glaubte an Gott. Er hätte sich da sehr unwohl gefühlt.

    AntwortenLöschen
  2. Da kann ich ausnahmsweise mal wieder ganz zustimmen.

    Und: vom Bio-Auerochsen? In Sibirien ausgebuddelt? Die essen tausend Jahre altes Fleisch?

    AntwortenLöschen
  3. sensationell. Jede Zeile!
    (Edith H.)

    AntwortenLöschen
  4. Die Bildauswahl ist mal wirklich gelungen :D Ich kann mich gar nicht entscheiden, was ich am absurdesten finden soll. Das "Du gießt mich"-Bild ist ja mal schon selten dämlich gestaltet (ich möchte ja nicht unbedingt, dass mir eine Pflanze aus dem Kopf / der Kopfbedeckung wächst, aber na ja...), aber Forderungen wie "Debatten müssen geführt und Entscheidungen müssen getroffen werden" haben schon auch was. Und der (selbst)kritische Antiklerikalismus darf natürlich auch nicht fehlen, denn wo kämen wir denn da hin, wenn man nicht in vorauseilendem Gehorsam klarstellen würde, dass die bösen Kleriker (wobei es ja bei den Luthrischen nach ihrem eigenen Verständnis nicht mal einen richtigen Klerus gibt, sondern bloß wegen ihrer theologischen Ausbildung zur Gemeindeleitung beauftragte Christen) die Laien kleinhalten und nicht ins (rettende?) Boot lassen wollen...
    (Und, ach ja: Es gibt kein Buch namens "Buddhism"!! Den interreligiösen Dialog üben wir nochmal!)

    - Crescentia.

    AntwortenLöschen
  5. Derartige Vielfalt in der Einfalt hätte ich mir 40 (+) Jahre nach "Jugendtreffen" in der DäDäÄrr nicht vorstellen können. Mehr Eifer beim Verbessern der Welt auch nicht. Das Essen war vermutlich damals schlechter, aber nur wer sich das geistige Elend angetan hat, kann auch vom leiblichen künden. Die "Kirche im Sozialismus" lebt, und Blockflöte spielen bleibt angesagt.

    AntwortenLöschen
  6. hahaha, köstlich! Danke für den Bericht! Das ist die Fanta-und-Butterkeks-Christen-Fraktion, die Funny van Dannen so herrlich besungen hat: https://www.youtube.com/watch?v=D7TIiEb8ubA
    Aber eine Plüschhostie als Maskottchen empfinde ich als katholisch sozialisierte Agnostikerin dann doch, wie soll ich sagen, als absoluten religiösen Tiefpunkt. Im Grunde traurig, das ganze. Galoppierende Geistlosigkeit.

    AntwortenLöschen