Wohlan, Leser: Die 3. Woche der Osterzeit liegt so gut wie hinter uns, zugleich war dies die zweite von 14½ Schul- und Arbeitswochen zwischen Oster- und Sommerferien, und wie fast jede Woche um diese Zeit schlage ich mich mit der Frage herum, was ich in den Einleitungstext vor dem Vorschaubild schreiben soll und was ich als Vorschaubild nehme. Aber wisster was: Diesmal mach ich's mir einfach und nehme ein Foto vom Wichtelgruppentreffen, das ja schließlich eins der Hauptthemen des aktuellen Wochenbriefings ist. Und der Einleitungstext ist damit auch fertig...
Was bisher geschah
Vom Berichtszeitraum des vorigen Wochenbriefings her noch offen ist der Bericht über das Wichtelgruppentreffen am vergangenen Samstag (s. "Aus meinem Wichtelbuch"); am Sonntag gingen wir dann "ganz normal" in St. Joseph Siemensstadt zur Messe. Da wir diesmal keine Probleme mit der Busverbindung hatten, kamen wir recht früh an und bekamen schon vor Beginn der Messe mit, dass ein uns unbekannter Priester sich auf die Zelebration vorbereitete – ein auffallend junger Mann mit sympathischem Gesichtsausdruck. "Vielleicht ein neuer Jesus", mutmaßte unser Jüngster (wozu man anmerken muss, dass er jeden Priester, der eine Messe zelebriert, "Jesus" nennt. Das mit dem Handeln des Priesters in persona Christi hat der Knabe offenbar besser verinnerlicht als mancher Erwachsene). In seinen Begrüßungsworten stellte der junge Priester sich namentlich vor und erklärte, er sei Kaplan in Leverkusen-Opladen und habe diese Messe vertretungsweise übernommen. – Man hört ja oft, der Priesternachwuchs der letzten paar Jahrzehnte lege tendenziell mehr Wert auf eine feierliche und würdevolle Liturgie als die vorangegangenen Priestergenerationen; ob das wirklich eine verallgemeinerbare Aussage ist, weiß ich nicht, aber auf diesen jungen Mann schien es jedenfalls zuzutreffen. Seine Predigt fand ich dagegen nicht direkt bahnbrechend, aber immerhin nicht schlecht. – Im Nachhinein wurde ich dann doch neugierig, was der Herr Kaplan so für einer ist, und stellte fest, dass man im Netz so allerlei über ihn findet; so zum Beispiel in der Mediathek von Radio Horeb einen Beitrag zu der Sendereihe "Auf dem Weg in ein neues Leben – Neupriester geben Zeugnis". Ich hab das Gefühl, das ist 'n Guter, und wünsche ihm viel Glück und viel Segen für seinen priesterlichen Dienst.
Es folgte eine weitgehend "normale" Schul- und Arbeitswoche; zu dieser Normalität gehörte, dass am Montag wieder regulärer "Omatag" war, außerhalb der Normalität lag hingegen, dass unser Tochterkind am Dienstag Namenstag hatte – was mir, da es kein Gedenktag im Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet ist, beinahe entgangen wäre. Ja, ich gebe zu, ich bin erst am nächsten Tag mit Hilfe von Instagram darauf aufmerksam geworden. Peinlich? Ein bisschen schon, aber ich vergesse oft sogar meinen eigenen Namenstag, zumal es in meiner Familie keine Tradition gab, Namenstage groß zu feiern. Hand aufs Herz, Leser mit Kindern: Wisst ihr die Namenstage eurer Kinder auswendig oder habt sie im Terminkalender? Feiert ihr sie? Lasst es mich (und die anderen Leser) wissen!
Der ereignisreichste Tag der Woche, jedenfalls was "blogrelevante" Ereignisse angeht, war der Mittwoch; da mir scheint, dass das öfter vorkommt und auch nicht ganz zufällig ist, führe ich in diesem Wochenbriefing mal versuchsweise eine Rubrik namens "Immer wieder mittwochs" ein. Man darf gespannt sein, ob sie sich bewährt. – Am Donnerstag kam meine Liebste früher als gewohnt von der Arbeit nach Hause, und wir nutzten den Nachmittag, um die neulich schon einmal angesprochene "Frühjahrs-Entrümpelung" unserer Wohnung fortzusetzen; am gestrigen Freitag bekamen wir dann Besuch von einer Schulfreundin unseres Tochterkindes. Wozu ich anmerken möchte: Ich finde, wir sollten öfter Besuch zu uns nach Hause einladen (und zwar nicht nur Kinder). Unter anderem hätte das auch den Vorteil, dass es die Motivation erhöht, öfter und regelmäßiger aufzuräumen – dann ist es jedes einzelne Mal nicht so viel Arbeit...
Morgen, am 4. Sonntag der Osterzeit, ist in St. Joseph Siemensstadt Kinderwortgottesdienst; ich werde berichten. Am Dienstag findet in der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen ein Vorbereitungstreffen für die diesjährige Spandauer Fronleichnamsfeier statt, und ich habe zugesagt, da als Vertreter des KiWoGo-Arbeitskreises von St. Joseph hinzugehen. Am Mittwoch ist aller Voraussicht nach wieder JAM; und am nächsten Samstag ist dann schon wieder Wichtelgruppe. Man wird sehen, ob und wie meine Werbeoffensive (siehe unter "Aus meinem Wichtelbuch") sich da auswirkt... Zu erwähnen wäre auch noch, dass am Samstagabend einerseits ein Jugendgottesdienst in Maria, Hilfe der Christen stattfindet, über den es in den Vermeldungen der Pfarrei heißt "Die musikalische Begleitung mit zeitgenössischem Lobgesang erfolgt durch die Taufstein-Band" – da wäre ich ja schon ein bisschen neugierig –, andererseits aber auch die monatliche Community Networking Night im Baumhaus, die eigentlich ein Muss ist. Na, wir werden sehen, wie sich das unter einen Hut bringen lässt (oder eben nicht).
Am vergangenen Samstag traf sich die Wichtelgruppe bei herrlichstem Wetter im Garten von St. Stephanus zum ersten von sieben Terminen im Zeitraum zwischen Oster- und Sommerferien. Um in einem Punkt gleich mal die Spannung rauszunehmen: Neuzugänge hatte die Gruppe bei diesem ersten Treffen noch nicht zu verzeichnen. Ein paar Überlegungen dazu, woran das gelegen haben könnte und wie sich das in Zukunft ändern könnte, folgen später; erst einmal möchte ich mich auf das konzentrieren, was an dem Treffen trotzdem gut war. Dazu gehörte zum Beispiel, dass die Kinder über eineinhalb Stunden lang fröhlich und friedlich im Garten spielten; die Mädchen kümmerten sich dabei liebevoll um eine nicht flugfähige Hummel und bauten ihr ein "Bett".
Davon abgesehen sangen wir ein paar Lieder, und als ich auf der Suche nach Anregungen, was man in der Gruppenstunde sonst noch so machen könnte, im "Katholischen Hausbuch für das Jahr 1990" blätterte (das das Tochterkind mal, wie berichtet, bei uns zu Hause unter dem Sofa gefunden hat), entdeckte ich ein schönes Gebet, das ich hier mal in voller Länge wiedergeben möchte:
Herr Jesus Christus,
du hast die Kinder zu dir gerufen
und sie gesegnet.
Sie waren dir nicht lästig,weil du sie liebtest.
Uns aber hast du ermahnt
zu werden wie sie.
Sie sind gut und fröhlich
und spielen den lieben langen Tag,
wenn wir sie lassen.
Wir aber müssen arbeiten.
Das weißt du.
Du lobst die Lilien auf dem Feld
und die Vögel in der Luft.
Du lobst Maria und verteidigst sie gegen Marta.
Schenk uns Gelassenheit!
Lass uns nicht zum Opfer unserer Tüchtigkeit werden!
Wir wollen Gutes tun,
fröhlich sein
und die Spatzen pfeifen lassen.
Dann sind wir wie die Kinder,
und du schenkst uns den Himmel
schon hier auf Erden.
Danke. Amen.
(Das ist inhaltlich natürlich eher auf Eltern als auf Kinder zugeschnitten; aber das schadet ja nichts – im Gegenteil: Wenn man ein Angebot für Kinder im Alter von 3-7 Jahren macht, muss man ohnehin zusehen, wie man es schafft, auch die Eltern mit einzubinden.)
Ein weiteres positives Ergebnis dieses Wichtelgruppen-Termins bestand darin, dass ich den vorläufigen Gartenpflegeplan zu Gesicht bekam, den der im Zusammenhang mit dem Gartenprojekt schon mehrfach erwähnte Küster erstellt hat und der die Zuständigkeit dafür, einmal wöchentlich im Garten nach dem Rechten zu sehen und bei Bedarf zu gießen, auf fünf Gruppen verteilt. Und siehe da, in der aktuellen Kalenderwoche waren die Pfadfinder zuständig. Da die allerdings gerade auf Tagesfahrt waren und die Wichtelgruppe ja lose an die Pfadfinder angegliedert ist, übernahm ich es, das "Im Garten nach dem Rechten sehen" als erledigt abzuzeichnen. (Wie es mit dem Gartenprojekt insgesamt weitergeht, bleibt indes abzuwarten; bei der nächsten Gemeinderatssitzung soll das Thema auf die Tagesordnung kommen, aber soviel ich weiß, gibt es dafür noch keinen Termin.)
Somit bliebe nun nur noch zu erörtern, wie man der Wichtelgruppe zukünftig mehr Zulauf verschaffen könnte. Wie sieht es mit der Werbung aus? Flyer liegen in den Kirchen St. Stephanus und St. Joseph aus, die Termine für die Gruppentreffen stehen auch im monatlich erscheinenden Gemeindeblatt und auf der Website der Pfarrei. Darüber hinaus habe ich mich bemüht, in den Sozialen Netzwerken ein bisschen die Werbetrommel zu rühren; das könnte man sicherlich noch intensivieren, aber der Weisheit letzter Schluss ist das wohl auch noch nicht. Am effizientesten wäre vermutlich Mundpropaganda, aber darum müssten sich wohl vorrangig andere kümmern – ich bin dafür einfach nicht gut genug vernetzt in Haselhorst und Siemensstadt. Um dennoch nicht untätig zu bleiben, habe ich am Montag damit angefangen, die Wichtel-Flyer etwas breiter zu streuen: In der Gartenfelder Straße, unweit von St. Stephanus, habe ich einige Flyer bei Edeka und einige in der Stadtteilbibliothek ausgelegt, danach war das Kontingent an Flyern, das ich mit mir herumtrug, erst einmal aufgebraucht, und dazu, mir neue zu besorgen, bin ich seither noch nicht gekommen. Ich bin aber durchaus gewillt, diese Werbestrategie weiterzuverfolgen und auszubauen.
Ein bedeutendes Argument dafür, dass dieser hier erstmals ausprobierte Rubrikentitel auch zukünftig seine Berechtigung haben könnte, liegt darin, dass der Mittwoch – wenn nicht gerade Schulferien sind oder sonst etwas Außergewöhnliches dazwischen kommt – zwei Fixpunkte im Tagesablauf aufweist, von denen in der Regel zu erwarten ist, dass sie Stoff fürs Wochenbriefing bringen: vormittags die Heilige Messe in St. Marien Maternitas in Heiligensee, nachmittags JAM bei den Freikirchlern in Haselhorst. Am vergangenen Mittwoch schaffte ich es wieder zu beiden Terminen, zum ersten mit meinem Jüngsten, zum zweiten mit der ganzen Familie.
Was die Messe anging, hatte ich die Vorahnung gehabt, der Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd würde sie halten; aber wir hatten Glück, es war der Pfarrvikar aus Nigeria. Bei unserer Ankunft in der Kirche bekamen wir gerade noch das letzte Gesätz des Rosenkranzes (und den Schluss des vorletzten) mit, und bei der Vaterunser-Bitte "Erlöse uns von dem Bösen" fragte mich mein dreijähriger Sohn, wer denn der Böse sei. Meine Antwort fiel in Anbetracht der Umstände nicht sehr ausführlich aus, aber ich war durchaus erfreut über sein Interesse. – Nach der Messe gab es wieder Frühstück, und am Rande unterhielten sich einige der älteren Herren, die dort zur Stammbesetzung gehören, über die Frage, was eigentlich Sünde sei und was nicht. Als einer der Gesprächsteilnehmer meinte, alle Sünden ließen sich als Verstöße gegen die Zehn Gebote darstellen, wandte der neulich schon mal erwähnte "Erzlaie" halb scherzhaft (?) ein, wieso man denn dann von "Verkehrssündern" oder vom "Sündigen gegen die schlanke Linie" spreche. Im Folgenden spitzte sich die Diskussion weitestgehend darauf zu, gegen welches der Zehn Gebote denn wohl das Laster der Völlerei verstoße. Auch der Pfarrvikar hatte darauf so ad hoc keine Antwort parat. – Was mich betrifft, fand ich diese ganze Debatte zwar einerseits auf eine Weise regelfixiert und korinthenkackerisch, die meinem persönlichen Zugang zum christlichen Glauben (und zu Religion überhaupt) eher fremd ist; aber gleichzeitig dachte ich: Also Kinder, das steht doch alles im Katechismus, man muss es nur finden. Und in Recherche bin ich ja gut. Also griff ich zu meinem Mobilgerät und konnte meinen Sitznachbarn alsbald mitteilen dass die Mahnung, "Übermaß an Speisen, Alkohol, Tabak und Medikamenten" zu meiden (Nr. 2290), im Katechismus einen Teilaspekt des Themas "Achtung der Gesundheit" darstellt, das seinerseits dem 5. Gebot ("Du sollst nicht morden") zugeordnet ist. (In demselben Absatz wird übrigens auch rücksichtsloses und riskantes Verhalten im Straßenverkehr angesprochen, aber darauf wies ich im Rahmen dieser Diskussion nicht hin.) Einer der Gesprächsteilnehmer – nämlich der, der in der vorherigen Woche seinen 82. Geburtstag gefeiert hatte – wandte nun ein, im Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus und im Gleichnis vom reichen Kornbauern gehe es ja wohl offensichtlich nicht darum, dass die Reichen in ihrem Überfluss ihre eigene Gesundheit schädigen. Eine zweifellos richtige Aussage, aber das hatte ja auch niemand behauptet, schon gar nicht der Katechismus. – Na gut: Nehmen wir als Erkenntnis mit, dass die Neigung, eine Diskussion so zu führen, dass am Ende jeder Recht behält, weil alle aneinander vorbeireden, keine so neue Erscheinung ist, wie man manchmal denken könnte (oder anders ausgedrückt: kein alleiniges Merkmal der Zoomer-Generation ist). Hat ja vielleicht irgendwo auch was Beruhigendes.
Schließlich verabschiedeten wir uns und fuhren zurück nach Tegel, wo mein Herr Sohn erst mal auf den Spielplatz wollte. Nachdem er es aus eigener Kraft bis an die Spitze der großen Kletternetz-Pyramide (und mit ein bisschen Hilfe von mir auch wieder herunter) geschafft hatte, ließ sich der Knabe zufrieden in den Wagen setzen und schlief bald darauf ein; da wir uns in der Nähe der Pfarrkirche Herz Jesu befanden, beschloss ich, mit ihm dort einzukehren. Bereits am Vortag war er auf dem Weg zu einer "Beten mit Musik"-Andacht, die wir in St. Joseph hatten abhalten wollen, im Kinderwagen eingeschlafen, woraufhin ich trotzdem mit ihm in die Kirche gegangen war und die Sext, erweitert um die Bitten aus den Laudes und ein paar freie Fürbitten, gebetet hatte – ohne Musik, um den Knaben nicht zu wecken. Genauso machte ich es nun auch in Herz Jesu. (Eine "Beten mit Musik"-Andacht, mit ganzen fünf Liedern, hielten wir dann am Donnerstag zur Terz in St. Joseph ab; aber nun zurück zur chronologischen Reihenfolge.) Bevor ich die Kirche zusammen mit dem immer noch fest schlafenden Junior wieder verließ, warf ich gewohnheitsmäßig noch einen Blick auf die Schriftenauslage im Windfang, und da fiel mir ein Stapel kleiner Faltblätter mit dem Titel-Schriftzug "Mehr als nur Religion" ins Auge. Das Faltblatt enthielt eine Menge Text, den ich nur überflog; es war aber recht offensichtlich, dass er sich darum drehte, das (angeblich) wahre Christentum von (angeblich) falschen religiösen Konventionen und Traditionen abzugrenzen. Verantwortlich für diese Publikation zeichnet eine Initiative namens GLOW, was ein Akronym für "Giving Light to Our World" sein soll; darunter könnte man sich unschwer eine dieser jungen, urbanen, hipstermäßigen Non-Denominational-Churches vorstellen können, die derzeit wie Pilze aus dem Boden zu schießen scheinen (dazu übrigens ein kleines Bonmot, das ich unlängst irgendwo aufgeschnappt habe und vergessen habe, wo: "Non-Denominationals sind im Grunde nur Baptisten mit einer Nebelmaschine"). Aber dann fiel mir eine Fußnote auf – die einzige Fußnote des ganzen Texts, und diese verwies auf das Buch "In Heavenly Places" von Ellen G. White. Tja, Plot-Twist: Hinter der Initiative GLOW stecken die Siebenten-Tages-Adventisten. Die haben ihre örtliche Gemeinde buchstäblich um die Ecke, gerade mal drei Minuten Fußweg von der Pfarrkirche Herz Jesu entfernt; und über die von dieser Gemeinde ausgehenden Versuche, die Gemeinde von Herz Jesu zu unterwandern bzw. Mitglieder abzuwerben, könnte man so einige Geschichten erzählen – ich habe das Thema neulich schon mal angeschnitten, eventuell komme ich noch mal darauf zurück. Was ich an der Sache mit diesen Flyern allerdings witzig finde, ist dies: Mir wurde seinerzeit nicht nur untersagt, meine "Lebendigen Steine" im Windfang der Kirche auszulegen, sondern auch allerlei anderes Infomaterial, an dessen rechtgläubig katholischer Ausrichtung kein Zweifel bestehen konnte, wurde vom Pfarrer regelmäßig entfernt. Ein Hinweisschild, demzufolge die Auslagefläche im Windfang nicht als allgemeine Auslage benutzt werden dürfe, und auf dem ich namentlich erwähnt werde, hängt da bis heute. Aber wenn die Adventisten da ihre sektiererische Propaganda auslegen, fällt das offenbar nicht weiter auf. Na, ich war dann mal so frei, die Flyer in den Müll zu entsorgen.
Auf dem Weg zum JAM ertappt ich mich dabei, mir zu wünschen, die Mitarbeiterin, über die ich mich in letzter Zeit schon mehrfach missfällig geäußert habe, wäre diesmal nicht da oder würde zumindest die Katechese jemand anderem überlassen. Immerhin hatte sie im Rahmen ihres Zeugnisses beim Jahresschlussgottesdienst erwähnt, sie habe den Vorsatz gefasst, bei der sonntäglichen "Kinderkirche" und beim JAM nur noch einmal im Monat mitzuwirken. Aber so Leute, die immer davon reden, dass sie mal kürzer treten und sich mehr zurücknehmen müssten, dann aber doch nicht loslassen können, weil sie offen oder insgeheim überzeugt sind, dass ohne sie nichts läuft, gibt's wohl in jeder Gemeinde, egal ob volks- oder freikirchlich. – Kurz und gut, natürlich war die Dame da. Nach der Phase des freien Spiels im Garten gab's für alle Kinder zusammen einen kleinen Lobpreis-Block im Gottesdienstraum; dorthin kam ich mit, während meine Liebste zum Elterncafé ging. Nach dem Lobpreis wurde angesagt, dass die kleineren Kinder (bis 5 Jahre) mit der besagten Mitarbeiterin nach oben gehen sollten; unser Jüngster wollte, dass ich ihn dorthin begleite, und daraufhin wollte unsere Große auch nach oben mitkommen, obwohl sie ja nun schon länger nicht mehr 5 ist. Ich hätte es ja interessanter gefunden, bei der von jüngeren Mitarbeitern geleiteten Katechese für die älteren Kinder zu bleiben, und nicht zuletzt glaube ich auch, dass das Tochterkind mehr davon gehabt hätte, aber das war nun nicht zu ändern. Inhaltlich ging es übrigens um die Bekehrung des Paulus. Den Kleinen wurde sie in Form einer rund zehn Minuten langen, nur durch gelegentliche Wissens- oder Ratefragen unterbrochenen Nacherzählung präsentiert, danach durften sie spielen gehen. – Ich hatte ehrlich gesagt meine Zweifel, ob bei den Kindern überhaupt etwas vom Inhalt der Katechese ankam, aber als ich versuchsweise ein paar Tage später meine Tochter danach befragte, lieferte sie mir doch eine ganz passable Zusammenfassung. Okay, sie war das älteste Kind in der Gruppe und ihre Aufmerksamkeitsspanne ist durch ausgiebiges abendliches Vorlesen geschult; darüber, was die jüngeren Kinder aus der Katechese mitgenommen haben, kann nur spekuliert werden...
Darauf, dass es am selben Abend in einer Kneipe, in der ich früher mal Stammgast war, einen "Vortrag der Letzten Generation" gab, wurde ich erst aufmerksam, als es zu spät war: Theoretisch hätte ich da nach dem JAM durchaus noch hingehen können. Wäre vielleicht ganz spannend geworden – nicht zuletzt auch hinsichtlich der Frage, ob man mich überhaupt reingelassen hätte. Man muss dazu sagen, dass es sich um ein Lokal handelt, in dem ich noch recht regelmäßig zu Gast war, als einige andere linke Läden mir wegen meines Pro-Life-Engagements schon längst Hausverbot erteilt hatten. Irgendwann um 2015/16 herum bekam ich Auftrittsverbot auf der hauseigenen Kleinkunstbühne, und einmal erlebte ich es, dass ein Mitarbeiter – wohlgemerkt einer, der früher mal™️ Lesebühnenauftritte für mich organisiert hatte und bei dem ich nach einem solchen Auftritt auch mal übernachtet hatte – sich erst mit seiner Kollegin abstimmen zu müssen glaubte, ob er mir ein Bier verkaufen dürfe; aber immerhin fiel die Entscheidung positiv aus. Seit Corona ist das Klima allerdings rauer geworden: Soweit ich gehört habe, ist ungefähr die Hälfte der Leute, die in dieser Kneipe meine vorrangigen Gesprächspartner und Trinkgenossen waren, dort inzwischen persona non grata oder boykottiert den Laden (oder beides). Weil sie zwar links, aber nicht "woke" sind. In dieser Hinsicht, scheint mir, hat die linke Szene ein irgendwie ähnliches Problem, wie die katholische Kirche es mit dem Synodalen Weg hat, aber das ist jetzt erst mal nur so eine aus der Hüfte gefeuerte These, die man mal vertiefen müsste. Vielleicht wäre dafür etwas Feldforschung an der einen oder anderen Theke sinnvoll. Lust hätte ich darauf eigentlich schon...
Kennst du, o wohllöblicher Leser, das Städtchen Plochingen am Neckar? Ich kannte es bisher praktisch nur aus der zweiteiligen Teilverfilmung von Karl Mays bizarr-bombastischem Kolportage-Epos "Waldröschen". In diesen 1964/65 gedrehten, "Der Schatz der Azteken" und "Die Pyramide des Sonnengottes" betitelten Filmen spielt Lex Barker die Heldenrolle und Ralf Wolter den komischen Sidekick, nämlich einen schwäbischen Kuckucksuhrenvertreter namens "Andreas Hasenpfeffer aus dem schönen Plochingen am Neckarstrand, 2.413 Einwohner, darunter 99 Katholiken". Die Einwohnerzahl hat sich seit der Handlungszeit der Filme bedeutend erhöht, aber eine kleine Stadt ist es immer noch. Und was gibt es da so, außer Kuckucksuhren? Ein Gymnasium zum Beispiel. Und das ist gerade in den Schlagzeilen, weil dort in der 7. Klasse versuchsweise Gleitzeit eingeführt worden ist. Was heißt das konkret? Es ist gar nicht so leicht, an rein sachliche, nicht polemisch aufgemachte Informationen zu diesem Modellversuch zu kommen, aber sofern man tagesschau.de Glauben schenken darf, handelt es sich darum, dass die Schüler einer 7. Klasse an zwei Tagen der Woche (!) individuell entscheiden können, ob sie um 7:50 oder erst um 9:40 Uhr mit dem Unterricht beginnen wollen. Finde ich persönlich jetzt nicht so sensationell – im Vergleich zu der Tatsache, dass es an der Schule, die meine Tochter besucht, jeden Tag und für alle Schüler von der 1. bis zur 10. Klasse eine gleitende Ankunftszeit gibt. Volkes Stimme hingegen, jedenfalls soweit sie in den Sozialen Netzwerken laut wird, scheint überzeugt zu sein, das Plochinger Gymnasium habe mit diesem Modellversuch den Untergang des Abendlandes eingeläutet. Hier nur mal eine kleine Auswahl an Kommentaren:
"Von klaren Regeln will man heutzutage wohl nix mehr wissen?! Unglaublich!"
"Es wird immer bekloppter in Deutschland."
"Deutschland schafft sich ab."
"Noch mehr Verweichlichung."
"Jetzt verdummen unsere Kinder total."
"Am besten ihr tragt denen auch noch die Schultasche nach."
"Ganz klasse, so lernt man Disziplin. Die haben sie doch nicht alle am Brett. Viele Kinder sind doch schon jetzt voll daneben weil die Eltern versagt haben. Fakt."
"Wie haben wir das nur überlebt? Demnächst heißt es, du musst nicht zur Schule, wenn du nicht willst."
"Schule ist nicht mehr was es einmal war, es gab Zeiten, da wurde wirklich, richtig gelernt ohne den ganzen E-Mist."
Auf Argumente dafür, dass ein späterer Unterrichtsbeginn (bzw. die Wahlmöglichkeit zwischen einem frühen und einem späteren Unterrichtsbeginn) sich positiv auf den Lernerfolg der Schüler auswirken könnte, gehen diese Meinungsinhaber so gut wie gar nicht ein. – Mein persönlicher Eindruck ist, die vorherrschende Motivation hinter Äußerungen wie den oben zitierten ist Missgunst: das Grauen davor, dass es anderen in Gegenwart oder Zukunft besser gehen könnte, als es einem selbst mal gegangen ist. Das Laster der Missgunst ist vermutlich ungefähr so alt wie die Menschheit selbst, aber in jüngster Zeit fällt es mir immer häufiger als treibende Kraft gesellschaftlicher Debatten auf, und zwar besonders dann, wenn es darum geht, postmaterielle Lebensentwürfe (nicht unbedingt strikt deckungsgleich mit dem gleichnamigen Sinus-Milieu) zu diskreditieren. Das Spektrum der Feindbilder reicht hier von Zoomern, die nach ersten Erfahrungen im Berufsleben erklären, es sei für sie keine erstrebenswerte Perspektive, bis zum Erreichen des Rentenalters in Vollzeit Erwerbsarbeit zu leisten, bis hin zu Eltern, die berufliche Nachteile in Kauf nehmen, um ihre Kinder #kindergartenfrei zu erziehen: Wer Anstalten macht, aus dem Hamsterrad von Erwerb und Konsum auszusteigen, zieht sich den Zorn und die Verachtung derer zu, die sich ihr Leben ohne dieses Hamsterrad nicht vorstellen können. Man hat den Eindruck, die Sozialen Netzwerke sind voll von Leuten, für die das Streben nach beruflichem Erfolg und materiellem Wohlstand höchste Priorität hat, die es darin aber nicht ganz so weit gebracht haben, wie es ihnen lieb gewesen wäre, und die nun den Gedanken nicht ertragen können, dass es Menschen gibt, die in ihrem Leben andere Prioritäten setzen und damit womöglich glücklicher sind. Das ist natürlich ein Thema, das nur "unter anderem" mit dem Thema "Gleitzeit in der Schule" zu tun hat und das man eigentlich mal auf breiterer Front angehen müsste; vielleicht wäre es mal was für einen Tagespost-Essay. Auch wenn ich mich da vielleicht bei einem Teil der Leserschaft ziemlich in die Nesseln setzen würde.
Was derweil konkret die Erwartungen an das Schulsystem betrifft, die sich in der Debatte über den Plochinger Modellversuch ausdrücken, finde ich es einigermaßen erschreckend, wie verbreitet die Auffassung zu sein scheint, die Schule sei vorrangig dazu da, die Schüler zu disziplinieren, in ihrer Individualität zu beschneiden und sie zum mechanischen Befolgen von Regeln zu konditionieren, und gerade nicht dazu, sie individuell zu fördern und zu eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen. Ich würde sagen, das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Realität des Schulsystems, das die Erwartungen dieser Leute geprägt hat. Auch das wäre ein Thema, das man mal an anderer Stelle vertiefen müsste; hier erst mal nur so viel: Historisch gesehen ist die allgemeine Schulpflicht ein Kind der Industrialisierung, und das merkt man ihr bis heute an. In einer post-industriellen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ist der Bedarf an Arbeitskräften, die dazu konditioniert wurden, zu funktionieren wie Maschinen, aber nicht mehr so groß wie früher. Man könnte sagen, das Regelschulsystem bereitet die Schüler auf eine Arbeitswelt vor, die es so kaum noch gibt und die es in Zukunft erst recht nicht mehr geben wird.
Gott, du bist unser Ziel, du zeigst den Irrenden das Licht der Wahrheit und führst sie auf den rechten Weg zurück. Gib allen, die sich Christen nennen, die Kraft zu meiden, was diesem Namen widerspricht, und zu tun, was unserem Glauben entspricht. Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
(Tagesgebet vom Montag der 3. Woche der Osterzeit)
Ohrwurm der Woche
Paul Simon: The Boy in the Bubble (live @ MTV unplugged)
Zu der Zeit, als in meinem heimatlichen Dorf Kabelfernsehen verlegt wurde und ich endlich MTV schauen konnte, war die Konzertreihe "MTV unplugged" gerade der absolute Hype. Wie ich seither festgestellt habe, fällt das Urteil der Popmusik-Geschichtsschreibung über dieses Format recht zwiespältig aus: So gab und gibt es durchaus Stimmen, die "MTV unplugged" als rückwärtsgewandt, elitär und/oder snobistisch betrachten, und dann natürlich auch solche, die meinen, das Format sei lediglich dazu gut gewesen, es angegrauten Ex-Stars zu ermöglichen, ihre alten Hits in akustischen Versionen neu auf den Markt zu bringen. Die letztere Einschätzung ist wohl nicht ganz und gar falsch, aber ganz richtig ist sie eben auch nicht: Schließlich traten bei "MTV unplugged" durchaus nicht nur Rock-Veteranen auf, sondern auch junge, aktuelle Bands. Sehr gut fand ich etwa die Performances von Soul Asylum und Pearl Jam; die von Nirvana ehrlich gesagt nicht ganz so gut. Brillant fand ich auch den "MTV unplugged"-Auftritt des Comedians Denis Leary, und ich gebe zu, auch Herbert Grönemeyers unplugged-Konzert fand ich gar nicht übel. Wenn man mich aber fragte, wessen Auftritt bei "MTV unplugged" meiner Meinung nach der beste von allen gewesen sei, würde ich jederzeit und ohne Zögern für Paul Simon votieren. Die Songauswahl bietet einen exzellenten Querschnitt durch vier Jahrzehnte von Simons Schaffen als Songwriter und Performer, die Arrangements sind hervorragend und die Begleitmusiker erlesen. Besonderes Augenmerk möchte ich bei der hier ausgewählten Aufnahme von "The Boy in the Bubble" auf das Saxophon-Solo des 2007 verstorbenen Michael Brecker lenken, den ich ein paar Jahre nach diesem Konzert einmal live erleben durfte – da stand er allerdings nicht mit Paul Simon auf der Bühne, sondern mit Herbie Hancock, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden...