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Samstag, 20. April 2024

Creative Minority Report Nr. 26

Wohlan, Leser: Die 3. Woche der Osterzeit liegt so gut wie hinter uns, zugleich war dies die zweite von 14½ Schul- und Arbeitswochen zwischen Oster- und Sommerferien, und wie fast jede Woche um diese Zeit schlage ich mich mit der Frage herum, was ich in den Einleitungstext vor dem Vorschaubild schreiben soll und was ich als Vorschaubild nehme. Aber wisster was: Diesmal mach ich's mir einfach und nehme ein Foto vom Wichtelgruppentreffen, das ja schließlich eins der Hauptthemen des aktuellen Wochenbriefings ist. Und der Einleitungstext ist damit auch fertig... 


Was bisher geschah 

Vom Berichtszeitraum des vorigen Wochenbriefings her noch offen ist der Bericht über das Wichtelgruppentreffen am vergangenen Samstag (s. "Aus meinem Wichtelbuch"); am Sonntag gingen wir dann "ganz normal" in St. Joseph Siemensstadt zur Messe. Da wir diesmal keine Probleme mit der Busverbindung hatten, kamen wir recht früh an und bekamen schon vor Beginn der Messe mit, dass ein uns unbekannter Priester sich auf die Zelebration vorbereitete – ein auffallend junger Mann mit sympathischem Gesichtsausdruck. "Vielleicht ein neuer Jesus", mutmaßte unser Jüngster (wozu man anmerken muss, dass er jeden Priester, der eine Messe zelebriert, "Jesus" nennt. Das mit dem Handeln des Priesters in persona Christi hat der Knabe offenbar besser verinnerlicht als mancher Erwachsene). In seinen Begrüßungsworten stellte der junge Priester sich namentlich vor und erklärte, er sei Kaplan in Leverkusen-Opladen und habe diese Messe vertretungsweise übernommen. – Man hört ja oft, der Priesternachwuchs der letzten paar Jahrzehnte lege tendenziell mehr Wert auf eine feierliche und würdevolle Liturgie als die vorangegangenen Priestergenerationen; ob das wirklich eine verallgemeinerbare Aussage ist, weiß ich nicht, aber auf diesen jungen Mann schien es jedenfalls zuzutreffen. Seine Predigt fand ich dagegen nicht direkt bahnbrechend, aber immerhin nicht schlecht. – Im Nachhinein wurde ich dann doch neugierig, was der Herr Kaplan so für einer ist, und stellte fest, dass man im Netz so allerlei über ihn findet; so zum Beispiel in der Mediathek von Radio Horeb einen Beitrag zu der Sendereihe "Auf dem Weg in ein neues Leben – Neupriester geben Zeugnis". Ich hab das Gefühl, das ist 'n Guter, und wünsche ihm viel Glück und viel Segen für seinen priesterlichen Dienst. 

Es folgte eine weitgehend "normale" Schul- und Arbeitswoche; zu dieser Normalität gehörte, dass am Montag wieder regulärer "Omatag" war, außerhalb der Normalität lag hingegen, dass unser Tochterkind am Dienstag Namenstag hatte – was mir, da es kein Gedenktag im Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet ist, beinahe entgangen wäre. Ja, ich gebe zu, ich bin erst am nächsten Tag mit Hilfe von Instagram darauf aufmerksam geworden. Peinlich? Ein bisschen schon, aber ich vergesse oft sogar meinen eigenen Namenstag, zumal es in meiner Familie keine Tradition gab, Namenstage groß zu feiern. Hand aufs Herz, Leser mit Kindern: Wisst ihr die Namenstage eurer Kinder auswendig oder habt sie im Terminkalender? Feiert ihr sie? Lasst es mich (und die anderen Leser) wissen! 

Der ereignisreichste Tag der Woche, jedenfalls was "blogrelevante" Ereignisse angeht, war der Mittwoch; da mir scheint, dass das öfter vorkommt und auch nicht ganz zufällig ist, führe ich in diesem Wochenbriefing mal versuchsweise eine Rubrik namens "Immer wieder mittwochs" ein. Man darf gespannt sein, ob sie sich bewährt. – Am Donnerstag kam meine Liebste früher als gewohnt von der Arbeit nach Hause, und wir nutzten den Nachmittag, um die neulich schon einmal angesprochene "Frühjahrs-Entrümpelung" unserer Wohnung fortzusetzen; am gestrigen Freitag bekamen wir dann Besuch von einer Schulfreundin unseres Tochterkindes. Wozu ich anmerken möchte: Ich finde, wir sollten öfter Besuch zu uns nach Hause einladen (und zwar nicht nur Kinder). Unter anderem hätte das auch den Vorteil, dass es die Motivation erhöht, öfter und regelmäßiger aufzuräumen – dann ist es jedes einzelne Mal nicht so viel Arbeit...


Was ansteht 

Morgen, am 4. Sonntag der Osterzeit, ist in St. Joseph Siemensstadt Kinderwortgottesdienst; ich werde berichten. Am Dienstag findet in der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen ein Vorbereitungstreffen für die diesjährige Spandauer Fronleichnamsfeier statt, und ich habe zugesagt, da als Vertreter des KiWoGo-Arbeitskreises von St. Joseph hinzugehen. Am Mittwoch ist aller Voraussicht nach wieder JAM; und am nächsten Samstag ist dann schon wieder Wichtelgruppe. Man wird sehen, ob und wie meine Werbeoffensive (siehe unter "Aus meinem Wichtelbuch") sich da auswirkt... Zu erwähnen wäre auch noch, dass am Samstagabend einerseits ein Jugendgottesdienst in Maria, Hilfe der Christen stattfindet, über den es in den Vermeldungen der Pfarrei heißt "Die musikalische Begleitung mit zeitgenössischem Lobgesang erfolgt durch die Taufstein-Band" – da wäre ich ja schon ein bisschen neugierig –, andererseits aber auch die monatliche Community Networking Night im Baumhaus, die eigentlich ein Muss ist. Na, wir werden sehen, wie sich das unter einen Hut bringen lässt (oder eben nicht). 


Aus meinem Wichtelbuch 

Am vergangenen Samstag traf sich die Wichtelgruppe bei herrlichstem Wetter im Garten von St. Stephanus zum ersten von sieben Terminen im Zeitraum zwischen Oster- und Sommerferien. Um in einem Punkt gleich mal die Spannung rauszunehmen: Neuzugänge hatte die Gruppe bei diesem ersten Treffen noch nicht zu verzeichnen. Ein paar Überlegungen dazu, woran das gelegen haben könnte und wie sich das in Zukunft ändern könnte, folgen später; erst einmal möchte ich mich auf das konzentrieren, was an dem Treffen trotzdem gut war. Dazu gehörte zum Beispiel, dass die Kinder über eineinhalb Stunden lang fröhlich und friedlich im Garten spielten; die Mädchen kümmerten sich dabei liebevoll um eine nicht flugfähige Hummel und bauten ihr ein "Bett". 

Davon abgesehen sangen wir ein paar Lieder, und als ich auf der Suche nach Anregungen, was man in der Gruppenstunde sonst noch so machen könnte, im "Katholischen Hausbuch für das Jahr 1990" blätterte (das das Tochterkind mal, wie berichtet, bei uns zu Hause unter dem Sofa gefunden hat), entdeckte ich ein schönes Gebet, das ich hier mal in voller Länge wiedergeben möchte: 

Herr Jesus Christus, 
du hast die Kinder zu dir gerufen 
und sie gesegnet. 
Sie waren dir nicht lästig, 
weil du sie liebtest. 
Uns aber hast du ermahnt 
zu werden wie sie. 
Sie sind gut und fröhlich 
und spielen den lieben langen Tag, 
wenn wir sie lassen. 
Wir aber müssen arbeiten. 
Das weißt du. 
Du lobst die Lilien auf dem Feld 
und die Vögel in der Luft. 
Du lobst Maria und verteidigst sie gegen Marta. 
Schenk uns Gelassenheit! 
Lass uns nicht zum Opfer unserer Tüchtigkeit werden! 
Wir wollen Gutes tun, 
fröhlich sein 
und die Spatzen pfeifen lassen. 
Dann sind wir wie die Kinder, 
und du schenkst uns den Himmel 
schon hier auf Erden. 
Danke. Amen. 

(Das ist inhaltlich natürlich eher auf Eltern als auf Kinder zugeschnitten; aber das schadet ja nichts – im Gegenteil: Wenn man ein Angebot für Kinder im Alter von 3-7 Jahren macht, muss man ohnehin zusehen, wie man es schafft, auch die Eltern mit einzubinden.) 

Ein weiteres positives Ergebnis dieses Wichtelgruppen-Termins bestand darin, dass ich den vorläufigen Gartenpflegeplan zu Gesicht bekam, den der im Zusammenhang mit dem Gartenprojekt schon mehrfach erwähnte Küster erstellt hat und der die Zuständigkeit dafür, einmal wöchentlich im Garten nach dem Rechten zu sehen und bei Bedarf zu gießen, auf fünf Gruppen verteilt. Und siehe da, in der aktuellen Kalenderwoche waren die Pfadfinder zuständig. Da die allerdings gerade auf Tagesfahrt waren und die Wichtelgruppe ja lose an die Pfadfinder angegliedert ist, übernahm ich es, das "Im Garten nach dem Rechten sehen" als erledigt abzuzeichnen. (Wie es mit dem Gartenprojekt insgesamt weitergeht, bleibt indes abzuwarten; bei der nächsten Gemeinderatssitzung soll das Thema auf die Tagesordnung kommen, aber soviel ich weiß, gibt es dafür noch keinen Termin.) 

Somit bliebe nun nur noch zu erörtern, wie man der Wichtelgruppe zukünftig mehr Zulauf verschaffen könnte. Wie sieht es mit der Werbung aus? Flyer liegen in den Kirchen St. Stephanus und St. Joseph aus, die Termine für die Gruppentreffen stehen auch im monatlich erscheinenden Gemeindeblatt und auf der Website der Pfarrei. Darüber hinaus habe ich mich bemüht, in den Sozialen Netzwerken ein bisschen die Werbetrommel zu rühren; das könnte man sicherlich noch intensivieren, aber der Weisheit letzter Schluss ist das wohl auch noch nicht. Am effizientesten wäre vermutlich Mundpropaganda, aber darum müssten sich wohl vorrangig andere kümmern – ich bin dafür einfach nicht gut genug vernetzt in Haselhorst und Siemensstadt. Um dennoch nicht untätig zu bleiben, habe ich am Montag damit angefangen, die Wichtel-Flyer etwas breiter zu streuen: In der Gartenfelder Straße, unweit von St. Stephanus, habe ich einige Flyer bei Edeka und einige in der Stadtteilbibliothek ausgelegt, danach war das Kontingent an Flyern, das ich mit mir herumtrug, erst einmal aufgebraucht, und dazu, mir neue zu besorgen, bin ich seither noch nicht gekommen. Ich bin aber durchaus gewillt, diese Werbestrategie weiterzuverfolgen und auszubauen. 


Immer wieder mittwochs 

Ein bedeutendes Argument dafür, dass dieser hier erstmals ausprobierte Rubrikentitel auch zukünftig seine Berechtigung haben könnte, liegt darin, dass der Mittwoch – wenn nicht gerade Schulferien sind oder sonst etwas Außergewöhnliches dazwischen kommt – zwei Fixpunkte im Tagesablauf aufweist, von denen in der Regel zu erwarten ist, dass sie Stoff fürs Wochenbriefing bringen: vormittags die Heilige Messe in St. Marien Maternitas in Heiligensee, nachmittags JAM bei den Freikirchlern in Haselhorst. Am vergangenen Mittwoch schaffte ich es wieder zu beiden Terminen, zum ersten mit meinem Jüngsten, zum zweiten mit der ganzen Familie. 

Was die Messe anging, hatte ich die Vorahnung gehabt, der Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd würde sie halten; aber wir hatten Glück, es war der Pfarrvikar aus Nigeria. Bei unserer Ankunft in der Kirche bekamen wir gerade noch das letzte Gesätz des Rosenkranzes (und den Schluss des vorletzten) mit, und bei der Vaterunser-Bitte "Erlöse uns von dem Bösen" fragte mich mein dreijähriger Sohn, wer denn der Böse sei. Meine Antwort fiel in Anbetracht der Umstände nicht sehr ausführlich aus, aber ich war durchaus erfreut über sein Interesse. – Nach der Messe gab es wieder Frühstück, und am Rande unterhielten sich einige der älteren Herren, die dort zur Stammbesetzung gehören, über die Frage, was eigentlich Sünde sei und was nicht. Als einer der Gesprächsteilnehmer meinte, alle Sünden ließen sich als Verstöße gegen die Zehn Gebote darstellen, wandte der neulich schon mal erwähnte "Erzlaie" halb scherzhaft (?) ein, wieso man denn dann von "Verkehrssündern" oder vom "Sündigen gegen die schlanke Linie" spreche. Im Folgenden spitzte sich die Diskussion weitestgehend darauf zu, gegen welches der Zehn Gebote denn wohl das Laster der Völlerei verstoße. Auch der Pfarrvikar hatte darauf so ad hoc keine Antwort parat. – Was mich betrifft, fand ich diese ganze Debatte zwar einerseits auf eine Weise regelfixiert und korinthenkackerisch, die meinem persönlichen Zugang zum christlichen Glauben (und zu Religion überhaupt) eher fremd ist; aber gleichzeitig dachte ich: Also Kinder, das steht doch alles im Katechismus, man muss es nur finden. Und in Recherche bin ich ja gut. Also griff ich zu meinem Mobilgerät und konnte meinen Sitznachbarn alsbald mitteilen dass die Mahnung, "Übermaß an Speisen, Alkohol, Tabak und Medikamenten" zu meiden (Nr. 2290), im Katechismus einen Teilaspekt des Themas "Achtung der Gesundheit" darstellt, das seinerseits dem 5. Gebot ("Du sollst nicht morden") zugeordnet ist. (In demselben Absatz wird übrigens auch rücksichtsloses und riskantes Verhalten im Straßenverkehr angesprochen, aber darauf wies ich im Rahmen dieser Diskussion nicht hin.) Einer der Gesprächsteilnehmer – nämlich der, der in der vorherigen Woche seinen 82. Geburtstag gefeiert hatte – wandte nun ein, im Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus und im Gleichnis vom reichen Kornbauern gehe es ja wohl offensichtlich nicht darum, dass die Reichen in ihrem Überfluss ihre eigene Gesundheit schädigen. Eine zweifellos richtige Aussage, aber das hatte ja auch niemand behauptet, schon gar nicht der Katechismus. – Na gut: Nehmen wir als Erkenntnis mit, dass die Neigung, eine Diskussion so zu führen, dass am Ende jeder Recht behält, weil alle aneinander vorbeireden, keine so neue Erscheinung ist, wie man manchmal denken könnte (oder anders ausgedrückt: kein alleiniges Merkmal der Zoomer-Generation ist). Hat ja vielleicht irgendwo auch was Beruhigendes. 

Schließlich verabschiedeten wir uns und fuhren zurück nach Tegel, wo mein Herr Sohn erst mal auf den Spielplatz wollte. Nachdem er es aus eigener Kraft bis an die Spitze der großen Kletternetz-Pyramide (und mit ein bisschen Hilfe von mir auch wieder herunter) geschafft hatte, ließ sich der Knabe zufrieden in den Wagen setzen und schlief bald darauf ein; da wir uns in der Nähe der Pfarrkirche Herz Jesu befanden, beschloss ich, mit ihm dort einzukehren. Bereits am Vortag war er auf dem Weg zu einer "Beten mit Musik"-Andacht, die wir in St. Joseph hatten abhalten wollen, im Kinderwagen eingeschlafen, woraufhin ich trotzdem mit ihm in die Kirche gegangen war und die Sext, erweitert um die Bitten aus den Laudes und ein paar freie Fürbitten, gebetet hatte – ohne Musik, um den Knaben nicht zu wecken. Genauso machte ich es nun auch in Herz Jesu. (Eine "Beten mit Musik"-Andacht, mit ganzen fünf Liedern, hielten wir dann am Donnerstag zur Terz in St. Joseph ab; aber nun zurück zur chronologischen Reihenfolge.) Bevor ich die Kirche zusammen mit dem immer noch fest schlafenden Junior wieder verließ, warf ich gewohnheitsmäßig noch einen Blick auf die Schriftenauslage im Windfang, und da fiel mir ein Stapel kleiner Faltblätter mit dem Titel-Schriftzug "Mehr als nur Religion" ins Auge. Das Faltblatt enthielt eine Menge Text, den ich nur überflog; es war aber recht offensichtlich, dass er sich darum drehte, das (angeblich) wahre Christentum von (angeblich) falschen religiösen Konventionen und Traditionen abzugrenzen. Verantwortlich für diese Publikation zeichnet eine Initiative namens GLOW, was ein Akronym für "Giving Light to Our World" sein soll; darunter könnte man sich unschwer eine dieser jungen, urbanen, hipstermäßigen Non-Denominational-Churches vorstellen können, die derzeit wie Pilze aus dem Boden zu schießen scheinen (dazu übrigens ein kleines Bonmot, das ich unlängst irgendwo aufgeschnappt habe und vergessen habe, wo: "Non-Denominationals sind im Grunde nur Baptisten mit einer Nebelmaschine"). Aber dann fiel mir eine Fußnote auf – die einzige Fußnote des ganzen Texts, und diese verwies auf das Buch "In Heavenly Places" von Ellen G. White. Tja, Plot-Twist: Hinter der Initiative GLOW stecken die Siebenten-Tages-Adventisten. Die haben ihre örtliche Gemeinde buchstäblich um die Ecke, gerade mal drei Minuten Fußweg von der Pfarrkirche Herz Jesu entfernt; und über die von dieser Gemeinde ausgehenden Versuche, die Gemeinde von Herz Jesu zu unterwandern bzw. Mitglieder abzuwerben, könnte man so einige Geschichten erzählen – ich habe das Thema neulich schon mal angeschnitten, eventuell komme ich noch mal darauf zurück. Was ich an der Sache mit diesen Flyern allerdings witzig finde, ist dies: Mir wurde seinerzeit nicht nur untersagt, meine "Lebendigen Steine" im Windfang der Kirche auszulegen, sondern auch allerlei anderes Infomaterial, an dessen rechtgläubig katholischer Ausrichtung kein Zweifel bestehen konnte, wurde vom Pfarrer regelmäßig entfernt. Ein Hinweisschild, demzufolge die Auslagefläche im Windfang nicht als allgemeine Auslage benutzt werden dürfe, und auf dem ich namentlich erwähnt werde, hängt da bis heute. Aber wenn die Adventisten da ihre sektiererische Propaganda auslegen, fällt das offenbar nicht weiter auf. Na, ich war dann mal so frei, die Flyer in den Müll zu entsorgen. 

Auf dem Weg zum JAM ertappt ich mich dabei, mir zu wünschen, die Mitarbeiterin, über die ich mich in letzter Zeit schon mehrfach missfällig geäußert habe, wäre diesmal nicht da oder würde zumindest die Katechese jemand anderem überlassen. Immerhin hatte sie im Rahmen ihres Zeugnisses beim Jahresschlussgottesdienst erwähnt, sie habe den Vorsatz gefasst, bei der sonntäglichen "Kinderkirche" und beim JAM nur noch einmal im Monat mitzuwirken. Aber so Leute, die immer davon reden, dass sie mal kürzer treten und sich mehr zurücknehmen müssten, dann aber doch nicht loslassen können, weil sie offen oder insgeheim überzeugt sind, dass ohne sie nichts läuft, gibt's wohl in jeder Gemeinde, egal ob volks- oder freikirchlich. – Kurz und gut, natürlich war die Dame da. Nach der Phase des freien Spiels im Garten gab's für alle Kinder zusammen einen kleinen Lobpreis-Block im Gottesdienstraum; dorthin kam ich mit, während meine Liebste zum Elterncafé ging. Nach dem Lobpreis wurde angesagt, dass die kleineren Kinder (bis 5 Jahre) mit der besagten Mitarbeiterin nach oben gehen sollten; unser Jüngster wollte, dass ich ihn dorthin begleite, und daraufhin wollte unsere Große auch nach oben mitkommen, obwohl sie ja nun schon länger nicht mehr 5 ist. Ich hätte es ja interessanter gefunden, bei der von jüngeren Mitarbeitern geleiteten Katechese für die älteren Kinder zu bleiben, und nicht zuletzt glaube ich auch, dass das Tochterkind mehr davon gehabt hätte, aber das war nun nicht zu ändern. Inhaltlich ging es übrigens um die Bekehrung des Paulus. Den Kleinen wurde sie in Form einer rund zehn Minuten langen, nur durch gelegentliche Wissens- oder Ratefragen unterbrochenen Nacherzählung präsentiert, danach durften sie spielen gehen. – Ich hatte ehrlich gesagt meine Zweifel, ob bei den Kindern überhaupt etwas vom Inhalt der Katechese ankam, aber als ich versuchsweise ein paar Tage später meine Tochter danach befragte, lieferte sie mir doch eine ganz passable Zusammenfassung. Okay, sie war das älteste Kind in der Gruppe und ihre Aufmerksamkeitsspanne ist durch ausgiebiges abendliches Vorlesen geschult; darüber, was die jüngeren Kinder aus der Katechese mitgenommen haben, kann nur spekuliert werden... 

Darauf, dass es am selben Abend in einer Kneipe, in der ich früher mal Stammgast war, einen "Vortrag der Letzten Generation" gab, wurde ich erst aufmerksam, als es zu spät war: Theoretisch hätte ich da nach dem JAM durchaus noch hingehen können. Wäre vielleicht ganz spannend geworden – nicht zuletzt auch hinsichtlich der Frage, ob man mich überhaupt reingelassen hätte. Man muss dazu sagen, dass es sich um ein Lokal handelt, in dem ich noch recht regelmäßig zu Gast war, als einige andere linke Läden mir wegen meines Pro-Life-Engagements schon längst Hausverbot erteilt hatten. Irgendwann um 2015/16 herum bekam ich Auftrittsverbot auf der hauseigenen Kleinkunstbühne, und einmal erlebte ich es, dass ein Mitarbeiter – wohlgemerkt einer, der früher mal™️ Lesebühnenauftritte für mich organisiert hatte und bei dem ich nach einem solchen Auftritt auch mal übernachtet hatte – sich erst mit seiner Kollegin abstimmen zu müssen glaubte, ob er mir ein Bier verkaufen dürfe; aber immerhin fiel die Entscheidung positiv aus. Seit Corona ist das Klima allerdings rauer geworden: Soweit ich gehört habe, ist ungefähr die Hälfte der Leute, die in dieser Kneipe meine vorrangigen Gesprächspartner und Trinkgenossen waren, dort inzwischen persona non grata oder boykottiert den Laden (oder beides). Weil sie zwar links, aber nicht "woke" sind. In dieser Hinsicht, scheint mir, hat die linke Szene ein irgendwie ähnliches Problem, wie die katholische Kirche es mit dem Synodalen Weg hat, aber das ist jetzt erst mal nur so eine aus der Hüfte gefeuerte These, die man mal vertiefen müsste. Vielleicht wäre dafür etwas Feldforschung an der einen oder anderen Theke sinnvoll. Lust hätte ich darauf eigentlich schon... 


Aufreger der Woche: Gleitzeit in Plochingen 

Kennst du, o wohllöblicher Leser, das Städtchen Plochingen am Neckar? Ich kannte es bisher praktisch nur aus der zweiteiligen Teilverfilmung von Karl Mays bizarr-bombastischem Kolportage-Epos "Waldröschen". In diesen 1964/65 gedrehten, "Der Schatz der Azteken" und "Die Pyramide des Sonnengottes" betitelten Filmen spielt Lex Barker die Heldenrolle und Ralf Wolter den komischen Sidekick, nämlich einen schwäbischen Kuckucksuhrenvertreter namens "Andreas Hasenpfeffer aus dem schönen Plochingen am Neckarstrand, 2.413 Einwohner, darunter 99 Katholiken". Die Einwohnerzahl hat sich seit der Handlungszeit der Filme bedeutend erhöht, aber eine kleine Stadt ist es immer noch. Und was gibt es da so, außer Kuckucksuhren? Ein Gymnasium zum Beispiel. Und das ist gerade in den Schlagzeilen, weil dort in der 7. Klasse versuchsweise Gleitzeit eingeführt worden ist. Was heißt das konkret? Es ist gar nicht so leicht, an rein sachliche, nicht polemisch aufgemachte Informationen zu diesem Modellversuch zu kommen, aber sofern man tagesschau.de Glauben schenken darf, handelt es sich darum, dass die Schüler einer 7. Klasse an zwei Tagen der Woche (!) individuell entscheiden können, ob sie um 7:50 oder erst um 9:40 Uhr mit dem Unterricht beginnen wollen. Finde ich persönlich jetzt nicht so sensationell – im Vergleich zu der Tatsache, dass es an der Schule, die meine Tochter besucht, jeden Tag und für alle Schüler von der 1. bis zur 10. Klasse eine gleitende Ankunftszeit gibt. Volkes Stimme hingegen, jedenfalls soweit sie in den Sozialen Netzwerken laut wird, scheint überzeugt zu sein, das Plochinger Gymnasium habe mit diesem Modellversuch den Untergang des Abendlandes eingeläutet. Hier nur mal eine kleine Auswahl an Kommentaren: 

"Von klaren Regeln will man heutzutage wohl nix mehr wissen?! Unglaublich!"  
"Es wird immer bekloppter in Deutschland."  
"Deutschland schafft sich ab."  
"Noch mehr Verweichlichung."  
"Jetzt verdummen unsere Kinder total."  
"Am besten ihr tragt denen auch noch die Schultasche nach."  
"Ganz klasse, so lernt man Disziplin. Die haben sie doch nicht alle am Brett. Viele Kinder sind doch schon jetzt voll daneben weil die Eltern versagt haben. Fakt."  
"Wie haben wir das nur überlebt? Demnächst heißt es, du musst nicht zur Schule, wenn du nicht willst."  
"Schule ist nicht mehr was es einmal war, es gab Zeiten, da wurde wirklich, richtig gelernt ohne den ganzen E-Mist." 

Auf Argumente dafür, dass ein späterer Unterrichtsbeginn (bzw. die Wahlmöglichkeit zwischen einem frühen und einem späteren Unterrichtsbeginn) sich positiv auf den Lernerfolg der Schüler auswirken könnte, gehen diese Meinungsinhaber so gut wie gar nicht ein. – Mein persönlicher Eindruck ist, die vorherrschende Motivation hinter Äußerungen wie den oben zitierten ist Missgunst: das Grauen davor, dass es anderen in Gegenwart oder Zukunft besser gehen könnte, als es einem selbst mal gegangen ist. Das Laster der Missgunst ist vermutlich ungefähr so alt wie die Menschheit selbst, aber in jüngster Zeit fällt es mir immer häufiger als treibende Kraft gesellschaftlicher Debatten auf, und zwar besonders dann, wenn es darum geht, postmaterielle Lebensentwürfe (nicht unbedingt strikt deckungsgleich mit dem gleichnamigen Sinus-Milieu) zu diskreditieren. Das Spektrum der Feindbilder reicht hier von Zoomern, die nach ersten Erfahrungen im Berufsleben erklären, es sei für sie keine erstrebenswerte Perspektive, bis zum Erreichen des Rentenalters in Vollzeit Erwerbsarbeit zu leisten, bis hin zu Eltern, die berufliche Nachteile in Kauf nehmen, um ihre Kinder #kindergartenfrei zu erziehen: Wer Anstalten macht, aus dem Hamsterrad von Erwerb und Konsum auszusteigen, zieht sich den Zorn und die Verachtung derer zu, die sich ihr Leben ohne dieses Hamsterrad nicht vorstellen können. Man hat den Eindruck, die Sozialen Netzwerke sind voll von Leuten, für die das Streben nach beruflichem Erfolg und materiellem Wohlstand höchste Priorität hat, die es darin aber nicht ganz so weit gebracht haben, wie es ihnen lieb gewesen wäre, und die nun den Gedanken nicht ertragen können, dass es Menschen gibt, die in ihrem Leben andere Prioritäten setzen und damit womöglich glücklicher sind. Das ist natürlich ein Thema, das nur "unter anderem" mit dem Thema "Gleitzeit in der Schule" zu tun hat und das man eigentlich mal auf breiterer Front angehen müsste; vielleicht wäre es mal was für einen Tagespost-Essay. Auch wenn ich mich da vielleicht bei einem Teil der Leserschaft ziemlich in die Nesseln setzen würde. 

Was derweil konkret die Erwartungen an das Schulsystem betrifft, die sich in der Debatte über den Plochinger Modellversuch ausdrücken, finde ich es einigermaßen erschreckend, wie verbreitet die Auffassung zu sein scheint, die Schule sei vorrangig dazu da, die Schüler zu disziplinieren, in ihrer Individualität zu beschneiden und sie zum mechanischen Befolgen von Regeln zu konditionieren, und gerade nicht dazu, sie individuell zu fördern und zu eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen. Ich würde sagen, das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Realität des Schulsystems, das die Erwartungen dieser Leute geprägt hat. Auch das wäre ein Thema, das man mal an anderer Stelle vertiefen müsste; hier erst mal nur so viel: Historisch gesehen ist die allgemeine Schulpflicht ein Kind der Industrialisierung, und das merkt man ihr bis heute an. In einer post-industriellen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ist der Bedarf an Arbeitskräften, die dazu konditioniert wurden, zu funktionieren wie Maschinen, aber nicht mehr so groß wie früher. Man könnte sagen, das Regelschulsystem bereitet die Schüler auf eine Arbeitswelt vor, die es so kaum noch gibt und die es in Zukunft erst recht nicht mehr geben wird. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Gott, du bist unser Ziel, du zeigst den Irrenden das Licht der Wahrheit und führst sie auf den rechten Weg zurück. Gib allen, die sich Christen nennen, die Kraft zu meiden, was diesem Namen widerspricht, und zu tun, was unserem Glauben entspricht. Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. 

(Tagesgebet vom Montag der 3. Woche der Osterzeit) 


Ohrwurm der Woche 

Paul Simon: The Boy in the Bubble (live @ MTV unplugged

Zu der Zeit, als in meinem heimatlichen Dorf Kabelfernsehen verlegt wurde und ich endlich MTV schauen konnte, war die Konzertreihe "MTV unplugged" gerade der absolute Hype. Wie ich seither festgestellt habe, fällt das Urteil der Popmusik-Geschichtsschreibung über dieses Format recht zwiespältig aus: So gab und gibt es durchaus Stimmen, die "MTV unplugged" als rückwärtsgewandt, elitär und/oder snobistisch betrachten, und dann natürlich auch solche, die meinen, das Format sei lediglich dazu gut gewesen, es angegrauten Ex-Stars zu ermöglichen, ihre alten Hits in akustischen Versionen neu auf den Markt zu bringen. Die letztere Einschätzung ist wohl nicht ganz und gar falsch, aber ganz richtig ist sie eben auch nicht: Schließlich traten bei "MTV unplugged" durchaus nicht nur Rock-Veteranen auf, sondern auch junge, aktuelle Bands. Sehr gut fand ich etwa die Performances von Soul Asylum und Pearl Jam; die von Nirvana ehrlich gesagt nicht ganz so gut. Brillant fand ich auch den "MTV unplugged"-Auftritt des Comedians Denis Leary, und ich gebe zu, auch Herbert Grönemeyers unplugged-Konzert fand ich gar nicht übel. Wenn man mich aber fragte, wessen Auftritt bei "MTV unplugged" meiner Meinung nach der beste von allen gewesen sei, würde ich jederzeit und ohne Zögern für Paul Simon votieren. Die Songauswahl bietet einen exzellenten Querschnitt durch vier Jahrzehnte von Simons Schaffen als Songwriter und Performer, die Arrangements sind hervorragend und die Begleitmusiker erlesen. Besonderes Augenmerk möchte ich bei der hier ausgewählten Aufnahme von "The Boy in the Bubble" auf das Saxophon-Solo des 2007 verstorbenen Michael Brecker lenken, den ich ein paar Jahre nach diesem Konzert einmal live erleben durfte – da stand er allerdings nicht mit Paul Simon auf der Bühne, sondern mit Herbie Hancock, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden... 


Samstag, 13. April 2024

Creative Minority Report Nr. 25

Eine ereignisreiche und, offen gestanden, teilweise recht anstrengende Woche liegt hinter meiner Familie und mir, o wohllöblicher Leser; infolgedessen gibt es wieder eine Menge zu berichten, auch wenn ich ein bisschen das Gefühl habe, dass den Begebenheiten der zurückliegenden Woche ein roter Faden fehlt. Aber das wird sicher auch mal wieder anders, und vielleicht ist es auch gar nicht so schlimm. Urteile selbst, Leser! 

Österliches Beet vor der evangelischen Dorfkirche Alt-Tegel. 


Was bisher geschah 

Wie bereits erwähnt, war am vergangenen Samstag mal wieder Gorkistraßenfest – mit Hüpfburg, Karussell, Kinderschminken, Zuckerwatte und diversen weiteren Attraktionen; wir verbrachten rund fünf Stunden dort und trafen allerlei Bekannte. Am Sonntag hatten wir dann einige Mühe, die Kinder rechtzeitig wach zu kriegen, um pünktlich zu unserem geplanten Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst zu kommen (Näheres dazu weiter unten). – Dass wir just an diesem Sonntag in der EFG The Rock Christuskirche zum Gottesdienst gingen, erwies sich übrigens auch insofern als Glücksfall, als wir bei dieser Gelegenheit erfuhren, dass JAM diese Woche ausfiel; so blieb es uns erspart, am Mittwoch vor verschlossenen Türen zu stehen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was unsere Tochter dazu gesagt hätte, dafür früher aus der Schule abgeholt zu werden. 

Der Wiedereinstieg in den Schulalltag klappte indes bemerkenswert reibungslos; von Montag bis Freitag unternahm ich, während das Tochterkind in der Schule und meine Liebste bei der Arbeit war, wieder allerlei mit dem Jüngsten, wovon in der bewährten Rubrik "Wenn der Vater mit dem Sohne" ausführlicher die Rede sein wird. Am Dienstagabend stand ein Treffen des Arbeitskreises Kinderwortgottesdienst an; Näheres dazu unter "Schwarzer Gürtel in KiWoGo". Am Donnerstag ging die ganze Familie in Hennigsdorf in den Zirkus – präzise gesagt zum Circus Rambazamba, einem branchentypischen Familienunternehmen, wo der Vater die Tiere dressiert, die älteren Kinder Akrobaten sind und der ca. neun- oder zehnjährige Clown zusammen mit seiner Mutter auftritt. Ich fand's super. Ich war ja in letzter Zeit einige Male im Zirkus, aber dieser hat mich bisher am meisten beeindruckt. – Ebenfalls am Donnerstag erschien in der Tagespost die dritte Ausgabe meiner Kolumne "Klein.Kram", die seit heute morgen auch online verfügbar ist. Der regelmäßige "Omatag" fand ausnahmsweise am Freitag statt am Montag statt; und am heutigen Samstag war vormittags Wichtelgruppentreffen im Garten von St. Stephanus. Darüber werde ich aber erst nächste Woche berichten... 


Was ansteht 

Der Blick in meinen Terminkalender verheißt eine "ganz normale" Schul- und Arbeitswoche ohne besondere Vorkommnisse; aber was heißt das schon? Ich gehe mal davon aus, dass am Mittwoch wieder JAM sein wird, und wahrscheinlich werde ich auch wieder einige kleine bis mittlere Abenteuer mit dem Jüngsten erleben; und selbst wenn darüber hinaus nichts Besonderes passieren sollte, wird es an Stoff für das nächste Wochenbriefing nicht fehlen. Das fängt schon an mit Themen, die es aus Zeit- und Platzgründen nicht mehr in diese Ausgabe geschafft haben – so etwa das Wichtelgruppentreffen, aber auch das neue Vatikan-Dokument "Dignitas infinita" und die Reaktionen darauf (aber daraus mache ich vielleicht lieber einen eigenständigen Artikel, vorausgesetzt ich komme dazu). Denkbar wäre auch, die Rubrik "Predigtnotizen", zu der ich diese Woche schlechterdings nicht gekommen bin, nächste Woche nachzuliefern – zumal da nicht nur die Predigt vom vergangenen Sonntag in St. Stephanus zu würdigen wäre, sondern auch zwei Kurzpredigten aus Werktagsmessen: am Dienstag wiederum in St. Stephanus, am Mittwoch in St. Marien Maternitas in Heiligensee. Vielleicht baue ich meine Gedanken zu den interessanten Aspekten dieser Predigten aber auch mal ganz woanders ein, oder ich lasse es einfach – dann beschwert sich wenigstens keiner. In den Berichtszeitraum der übernächsten Nummer des Creative Minority Report werden dann u.a. ein Kinderwortgottesdienst und ein Vorbereitungstreffen zur diesjährigen Spandauer Fronleichnamsfeier fallen – es bleibt also spannend...! 


Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst 

Wie ich in meinen Wochenbriefings wohl schon verschiedentlich erwähnt habe, liegt die EFG The Rock Christuskirche, wo wir mit unseren Kindern schon seit fast zwei Jahren ziemlich regelmäßig zum Kinderprogramm ("JAM", ein Akronym für "Jungschar am Mittwoch") gehen, in unmittelbarer Nachbarschaft der katholischen Kirche St. Stephanus – wo wir allerdings nur vergleichsweise selten in die Messe gehen: Zwar ist St. Stephanus von unserem Zuhause aus schneller und unkomplizierter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen als St. Joseph in Siemensstadt, aber das wird durch die spätere Anfangszeit der Messe in Siemensstadt mehr als wettgemacht; zudem haben wir die Erfahrung gemacht, dass man als Familie mit kleinen Kindern in St. Joseph weniger (unangenehm) auffällt als in St. Stephanus. Das hat zum Teil mit der unterschiedlichen Größe und Bauweise der beiden Kirchen zu tun, wohl noch mehr jedoch mit der Altersstruktur der jeweiligen örtlichen Gottesdienstgemeinde. Das hält uns indes nicht davon ab, gelegentlich doch nach St. Stephanus zu gehen; und eine solche Gelegenheit ergab sich am vergangenen Sonntag, nämlich die Gelegenheit, anschließend noch in den freikirchlichen Gottesdienst zu gehen. Der ist in der The Rock-Gemeinde meist nachmittags, einmal im Monat jedoch unmittelbar anschließend an die Messe in St. Stephanus. Tatsächlich hatten meine Liebste und ich mal erwogen, um diese Konstellation regelmäßig für so ein Gottesdienst-Double-Feature zu nutzen, aber in den letzten Monaten – seit Oktober letzten Jahres, um genau zu sein – waren wir dann doch irgendwie nie dazu gekommen. Jetzt sollte es aber mal wieder so weit sein; und für den geselligen Teil nach dem Gottesdienst packten wir den Kuchen ein, den wir auf Anregung unseres Jüngsten am Wochenende gebacken hatten. (Genauer gesagt packten wir drei Viertel des Kuchens ein; das vierte Viertel hatten wir bereits zuvor verspeist.) 

Auf dem Weg nach Haselhorst stieg übrigens der nicht-mehr-so-neue Pfarrvikar von St. Klara Reinickendorf-Süd in den Bus ein, in dem wir bereits saßen; er hatte offenbar in St. Bernhard die Messe und wechselte, ehe er wieder ausstieg, ein paar freundliche Worte mit uns. – Was die Messe in St. Stephanus betrifft, so besagt ja ein katholisches Sprichwort "An Ostern ist das Grab leer und am nächsten Sonntag die Kirche", aber ganz so schlimm war es nicht: Ich würde mal sagen, die Kirche war ungefähr halb voll. Schon in der Nacht zuvor hatte ich die Vorahnung, der leitende Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie würde diese Messe zelebrieren, und so war es auch. Die Liturgie war schön und feierlich, es wurden sehr viele Osterlieder gesungen und die Kinder benahmen sich weitestgehend untadelig. 


Da die Messe etwas länger als eine Stunde dauerte, hatten wir es anschließend etwas eilig, auf die andere Straßenseite zu kommen; wir kamen dort gerade rechtzeitig zum Beginn der separaten Kinderbetreuung an, was bedeutete, dass ich mit unserer Großen in den Keller zur Schulkinder-Katechese ging und meine Liebste mit unserem Jüngsten nach oben in den Eltern-Kind-Raum. Als mich die Mitarbeiterin, die die Katechese für die Schulkinder leitete, fragte, ob ich nicht lieber in den Erwachsenen-Gottesdienst gehen wolle, verneinte ich das knapp und ohne weitere Erläuterung. Tatsächlich hatte ich mindestens zwei Gründe dafür: Einer davon war ein quasi-professionelles Interesse daran, wie in dieser Gemeinde Kinderkatechese betrieben wird (darauf komme ich unter "Schwarzer Gürtel in KiWoGo" zurück); ein anderer, dass ich nun wirklich keine Lust auf einen Gottesdienst hatte, der im Wesentlichen aus einer endlos langen Predigt mit ein bisschen Drumherum bestand. Als ich später einen Blick in den Gottesdienstraum warf, fühlte ich mich bestätigt: Die Leute saßen da wie in einer Vorlesung, einige balancierten sogar Klemmbretter oder Laptops auf den Knien und schrieben mit. Nicht so ganz meine Vorstellung von Gottesdienst. Es wäre aber vielleicht eine interessante Vorstellung, wie jemand, der so etwas gewohnt ist, sich wohl in einer katholischen Messe fühlen würde, womöglich gar in einer Werktagsmesse ohne Predigt. 

Trotz aller Differenzen war es insgesamt aber doch gut, mal wieder dort zu sein und die überkonfessionellen Kontakte zu pflegen. Insofern fand ich den "geselligen Teil" am besten: Der Kuchen war lecker (nicht nur der, den wir selbst mitgebracht hatten), wir unterhielten uns gut und die Kinder konnten im Garten spielen. Kurz und gut, der Idee, so ein "Gottesdienst-Double-Feature" regelmäßig einmal im Monat "mitzunehmen", stehe ich nach wie vor aufgeschlossen gegenüber. 

Von uns war natürlich wieder der Fantakuchen mit den bunten Streuseln. 


Wenn der Vater mit dem Sohne 

Zu den Attraktionen des Gorkistraßenfests am vergangenen Samstag gehörte auch Live-Musik – dargeboten von einem Rockabilly-Duo, das ich an selber Stelle schon ein paarmal hatte spielen hören. Die Musik bewirkte, dass es mir in den Füßen zuckte, daher fragte ich meine Tochter, ob sie mit mir tanzen möge; aber sie wollte sich lieber beim Hufeisenwerfen anstellen, also tanzte ich stattdessen mit meinem Sohn – zu "Blue Suede Shoes" und "Hound Dog". Das entzückte Lachen meines Jüngsten, als ich ihn im Rhythmus der Musik durch die Luft wirbelte, war für mich ganz klar das Highlight des Tages. 

Als ich am Montagmorgen in der S-Bahn auf dem Weg zur Schule mit den Kindern betete – zuerst ein gereimtes Schulwegsgebet, das das Tochterkind bereits auswendig kann, und dann das Tagesgebet aus der Stundenbuch-App –, warf uns eine ältere Frau, die in unserer Nähe saß, einen überraschend wohlwollenden Blick zu; kurz darauf registrierte ich, dass sie auf Polnisch telefonierte, das erklärt wohl einiges. – Nachdem wir das Tochterkind in der Schule abgeliefert hatten, fuhren der Jüngste und ich zurück nach Tegel und schauten zunächst bei unserem bevorzugten Spielplatz vorbei; da war aber nicht viel los und niemand da, den wir kannten, also einigten wir uns darauf, später wiederzukommen. Auf die Frage, was wir in der Zwischenzeit machen sollten – "Hundewiese oder Beten mit Musik?" –, entschied sich der Jüngste ohne Zögern für "Beten mit Musik", also steuerten wir die Kirche St. Joseph Tegel an und hielten dort eine schöne Lobpreisandacht zum Hochfest Verkündigung des Herrn ab (mit insgesamt fünf Liedern). 

Am Mittwoch gingen der Jüngste und ich wieder einmal in St. Marien Maternitas in Heiligensee in die Messe – die von einem Priester zelebriert wurde, den ich nicht kannte. So halbwegs rechnete ich damit, dass er in der Begrüßung etwas dazu sagen würde, wer er denn sei und woher er käme, aber das tat er nicht; nun gut, wir waren in den Ferien nicht hier gewesen, möglicherweise hatte eine solche Vorstellung also schon zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden. Vielleicht machte der Priester hier Urlaubsvertretung, vielleicht war er selbst hier in Urlaub. Jedenfalls feierte er eine tadellose Liturgie und sagte während der gesamten Messe nichts, was Zweifel an seiner Rechtgläubigkeit hätte aufkommen lassen; beides ist man an diesem Ort nicht unbedingt gewohnt, und so begann ich unversehens zu tagträumen, der Priester sei womöglich doch nicht nur zur Vertretung hier, sondern neu im "Pastoralteam" der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd. Dort ist allerdings meines Wissens derzeit zwar eine Planstelle für einen Pastoral- oder Gemeindereferenten offen, nicht aber für einen Priester; und prompt ging die Tagträumerei in die nächste Runde: Was, wenn der bisherige Pfarrer von St. Klara über Ostern in die Wüste geschickt (bzw. meinetwegen ins Diözesanarchiv versetzt) worden wäre und dies sein Nachfolger wäre? Ich malte mir schon Chancen für ein Comeback in Reinickendorf-Süd aus; nicht dass ich dafür mein Engagement in Siemensstadt und Haselhorst hätte an den Nagel hängen wollen, aber ein zweites Standbein, noch dazu in größerer Wohnortnähe, hätte doch was für sich. 

Beim Gemeindefrühstück nach der Messe – das recht opulent ausfiel, da ein Gemeindemitglied Geburtstag feierte – erlebte ich allerdings in mehrfacher Hinsicht eine Enttäuschung. Zunächst schnappte ich auf, wie das Geburtstagskind den Priester beiläufig fragte, wie es denn in München stehe – woraus ich zweierlei folgerte: zum einen, dass der Priester in der Gemeinde bekannt ist, wahrscheinlich "von früher her", und zum anderen, dass er "eigentlich" in München ansässig ist. Und dann büßte der Priester bei mir massiv an Sympathie ein, als er mit seinen Sitznachbarn über Politik redete. Oder was man halt so "über Politik reden" nennt: von Frotzeleien über "Klimakleber" bis hin zu Klagen über die Inflation, und das alles auf so einem dümmlich-selbstgefälligen Stammtischniveau, als käme für die an diesem Gespräch Beteiligten schlechterdings nicht in Betracht, dass irgendjemand im Raum, oder überhaupt irgendein halbwegs vernünftiger Mensch, ihre behäbige Mitte-Rechts-Gesinnung nicht teilen könnte. Ach, na ja, was rege ich mich auf. Das ungleichzeitige politische Bewusstsein in unterschiedlichen Bereichen der Kirche wäre durchaus ein Thema, zu dem sich allerlei sagen ließe, aber hier und jetzt würde das entschieden zu weit führen. 

Im Übrigen hatte der Jüngste in den zurückliegenden Tagen mehrfach den Wunsch geäußert, mal wieder einen Ausflug ins Umland zu unternehmen; und da an diesem Mittwoch JAM ausfiel und meine Liebste obendrein länger arbeiten musste, fand ich, die Gelegenheit dazu sei günstig – obwohl das Wetter schlechter war als sn buchstäblich allen anderen Tagen der Woche und obwohl es nach dem Gemeindefrühstück in St. Marien Maternitas schon ungefähr 11 Uhr war. Ursprünglich hatte ich ins Auge gefasst, mit dem Junior nach Schönfließ und/oder nach Birkenwerder zu fahren, aber infolge einer Verkettung unvorhergesehener Umstände schafften wir es dann doch nur bis Oranienburg. Kein so attraktives Ausflugsziel, wie ich feststellen musste; aber der Sohnemann schlief ohnehin recht bald nach unserer Ankunft im Kinderwagen ein. Ich wollte mir nun wenigstens die örtliche katholische Kirche Herz Jesu ansehen, kam aber nur bis in den Vorraum (mit Schriftenstand): Nur durch den Glaseinsatz einer verschlossenen Zwischentür konnte man einen Blick in den eigentlichen Kirchenraum werfen. 

Vom Schriftenstand nahm ich mir einen Pfarrbrief mit, aber erst als ich schon wieder zu Hause war, stellte ich fest, dass es nicht der Pfarrbrief der Oranienburger Pfarrei war, sondern der aus Hennigsdorf. 

Am Donnerstag ging ich mit dem Junior zu einem aus dem #kindergartenfrei-Netzwerk heraus organisierten Spieltreff und am Freitag zur offenen Eltern-Kind-Gruppe in der Gemeinde auf dem Weg. Die letztere war deutlich besser besucht als beim ersten Mal, als wir dort waren, allerdings trafen wir dort diesmal keine Bekannten, und was ich von den Gesprächen zwischen den anderen Eltern mitbekam, machte mir nicht sonderlich viel Lust, mich daran zu beteiligen. Dem Knaben gefiel es allerdings bei beiden Spiel-"Dates" gut, also werden wir da wohl zukünftig noch öfter hingehen. Gleichzeitig habe ich allerdings auch festgestellt, dass mir das Programm, das ich von Mittwoch bis Freitag mit dem Junior durchgezogen habe, eigentlich ein bisschen zu viel des Guten war und dass ich mich im Grunde wohler fühle, wenn mein Sohn und ich gemeinsam "nichts Besonders" unternehmen. Da gilt es also die richtige Balance zu finden. 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Wie oben bereits erwähnt, traf sich am Dienstag der KiWoGo-Arbeitskreis, aber ehe ich darauf eingehe, möchte ich, wie ebenfalls schon angekündigt, ein paar Eindrücke zum Thema Kinderkatechese festhalten, die ich vom Besuch der EFG The Rock Christuskirche am vergangenen Sonntag mitgenommen habe. Mir ist durchaus bewusst, dass meine Sympathien für Freikirchen in der – sagen wir mal – "volkskirchlich-konservativen" Fraktion meiner Leserschaft zuweilen unterschiedliche Grade von Befremden bis Missbilligung auslöst. Das ist ein bisschen so wie zur Zeit der deutschen Teilung, wenn man in der Bundesrepublik Ansichten äußerte, die als allzu "links" wahrgenommen wurden, und sich daraufhin anhören durfte "Dann geh doch rüber!" Wozu ich anmerken möchte, dass ich durchaus nicht der Meinung bin, "drüben" sei alles besser. Das gilt auch und nicht zuletzt für den Bereich der Kinderkatechese. Ich habe mich dazu schon verschiedentlich geäußert, am einlässlichsten wohl im Creative Minority Report Nr. 20; und auch diesmal gab es wieder allerlei Anlass zu Kritik, was wohl nicht unwesentlich damit zu tun hat, dass an diesem Sonntag wieder die ältere Frau aus der Gemeinde die Kinderkatechese leitete, mit deren Anschauungen und Methodik ich so meine Schwierigkeiten habe. Inhaltlich ging es diesmal um die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste nach dem Auszug aus Ägypten; sicherlich ein Thema, das man halbwegs interessant gestalten könnte, aber der Präsentationsstil der besagten Mitarbeiterin verstärkte eher den im evangelikalen Spektrum ohnehin nie ganz fern liegenden Eindruck, biblische Geschichte werde als Lernstoff betrachtet, den die Kinder einfach "draufkriegen" müssen. Es war im Wesentlichen ein Vortrag, die aktive Einbeziehung der Kinder beschränkte sich auf gelegentliche Wissens- oder "Ratefragen", teilweise zu ganz und gar abseitigen Aspekten wie etwa, wieso Kamele sich besonders gut dazu eignen, mit ihnen die Wüste zu durchqueren. – 


In die Kategorie "Gut gemeint und schlecht gemacht" fielen Versuche, die Kinder im Sinne eines Sokratischen Gesprächs selbst darauf kommen zu lassen, dass der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten auf das Kreuzesopfer Jesu vorausweist. Die Art und Weise, wie die Katechetin dabei mit Suggestivfragen arbeitete, erinnerte mich –nicht zum ersten Mal übrigens – an einen Witz, den ich, wenn ich mal ein Buch zum Thema Kinderkatechese schreiben sollte, unbedingt auch darin verwenden muss, und zwar in einem Abschnitt über methodische Fehler, die man vermeiden sollte

Fritzchen besucht eine katholische Schule, in der der Unterricht von Ordensschwestern erteilt wird. In einer Sachkundestunde fragt die Schwester: "Was ist das: Es hat rotes Fell, einen buschigen Schwanz und springt von Baum zu Baum?" Fritzchen antwortet: "Normalerweise würd' ich ja sagen Eichhörnchen, aber so wie ich den Laden hier kenne, wird's wohl wieder das liebe Jesulein sein." 

Genauer erläutern mag ich hier und jetzt nicht, worin ich die tiefere Weisheit dieses Witzes sehe; aber ich denke, es ist einigermaßen selbsterklärend. Falls doch nicht, freut euch auf das Buch! – Im Anschluss an die Katechese wurden die Kinder zum Spielen in den Garten geschickt, und ich nutzte die Gelegenheit, um nach oben in dem Eltern-Kind-Raum zu gehen – wo ich u.a. mitbekam, wie eine ältere Jugendliche oder junge Erwachsene versuchte, einigen drei- bis fünfjährigen Kindern anhand von Piktogrammen die Zehn Gebote zu erläutern. Ein erfahrenerer Mitarbeiter, selbst Vater von drei Söhnen, die ich vom JAM kenne und deren jüngster ungefähr so alt ist wir unser Sohn, erteilte dem Mädchen hinterher eine freundliche Manöverkritik: So meinte er, es wäre vielleicht besser gewesen, sie hätte sich auf einige wenige Gebote konzentriert, mit denen die Kinder anhand ihres eigenen Erfahrungshorizonts etwas anfangen können. Was ich für einen ausgesprochen guten Rat halten würde – wenn es um Kinder im Grundschulalter ginge. Bei Vorschulkindern halte ich es ehrlich gesagt für sehr fraglich, ob es überhaupt sinnvoll und ratsam ist, ihnen die Zehn Gebote beibringen zu wollen. (Ich wäre da aber offen für Argumente.)

Im Vergleich zu den am Sonntag bei den Freikirchlern gesammelten Eindrücken verlief das Arbeitskreistreffen am Dienstag eher unspektakulär. Zum Zeitpunkt seiner Gründung im Sommer letzten Jahres hatte der Arbeitskreis Kinderwortgottesdienst fünf Mitglieder, von denen sich eins inzwischen aufgrund allzu vieler anderer Verpflichtungen bis auf Weiteres zurückgezogen hat, und zwei weitere sind zu den letzten Treffen nur unregelmäßig erschienen, zumeist aus familiären Gründen (Kind krank, Ehemann krank, Babysitter kurzfristig ausgefallen) – das könnte mich natürlich theoretisch auch mal treffen, bisher habe ich's aber noch immer geschafft. Das Treffen am Dienstag litt zudem an einer Terminkollision, denn am selben Tag, nur um eine halbe Stunde versetzt, war in St. Stephanus Pfarreiratssitzung, und eins unserer Mitglieder musste da hin. Damit diese Kollegin wenigstens am Anfang unseres Treffens noch kurz dabeisein konnte, war dieses kurzfristig ebenfalls nach St. Stephanus verlegt worden; daraus resultierte nun allerdings ein Raumproblem, denn in St. Stephanus trafen sich am selben Abend auch noch die Trommelgruppe und die Neokatechumenale Gemeinschaft. Eigentlich ja ein gutes Zeichen für ein blühendes Gemeindeleben, auch wenn es sicherlich nicht der Normalfall ist, dass so viele Veranstaltungen bzw. Gruppentreffen auf denselben Tag fallen. 

Die Tagesordnung unseres Arbeitskreistreffens umfasste im Wesentlichen drei Punkte: die inhaltliche Planung des am übernächsten Sonntag, dem 4. Sonntag der Osterzeit, anstehenden Kinderwortgottesdienstes, die Festlegung der KiWoGo-Termine für Mai und Juni und schließlich die Frage, ob wir einen Programmbeitrag zur Fronleichnamsfeier in Maria, Hilfe der Christen anbieten wollen. Letzteres beantworteten wir dahingehend, dass wir wollen; jetzt muss der Planungsausschuss für die Fronleichnamsfeier noch zustimmen. 

Das Evangelium vom 4. Sonntag der Osterzeit ist Johannes 10,11-18, und somit lautet das Thema für den nächsten Kinderwortgottesdienst "Der gute Hirte". Einige Zeit vor dem Arbeitskreis-Treffen war mir eingefallen, dass wir schon seit Jahren ein sehr schönes Bilderbuch zu diesem Thema zu Hause haben, nämlich "Mein guter Hirte" von Sally Lloyd-Jones und Jago. Der Text orientiert sich zwar deutlich an Psalm 23, passt aber, wie ich finde, in einem für die Zwecke einer Kinderkatechese allemal ausreichenden Maße auch zum besagten Sonntagsevangelium. Ich nahm das Buch also zum Arbeitskreis mit und stellte es dort vor, allerdings meinte der Gemeindereferent – wohl nicht zu Unrecht –, das sei eher etwas für jüngere Kinder; für die Erstkommunionkinder dürfe es ruhig etwas anspruchsvoller sein. Folglich werden wir erstmals seit Januar den Versuch wagen, die zum KiWoGo erscheinenden Kinder ihrem Alter entsprechend in zwei Gruppen einzuteilen, der Gemeindereferent wird eine Katechese für die Erstkommunionkinder vorbereiten und ich eine für die jüngeren Kinder, auf der Basis bzw. unter Einbeziehung des "Mein guter Hirte"-Bilderbuchs. Im Detail werde ich daran noch arbeiten müssen. Gerne würde ich auch das Lied "Der Herr ist mein Hirte" von Johannes Hartl verwenden, allerdings traue ich mir nicht zu, das selbst auf der Gitarre zu spielen. Vielleicht kann ich meine Wichtelgruppen-Co-Leiterin dafür gewinnen... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Wir wollen uns wappnen mit aller Kraft und uns zum Kampf rüsten mit lauterem Geist, zuversichtlichem Glauben und liebender Tugend. Das Heer Gottes marschiere voran zu der angekündigten Schlacht! Der Apostel lehrt uns die Vorbereitung und die Bewaffnung: "Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen! Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes!" (Eph 6,14-17) Diese Waffen wollen wir ergreifen, mit diesem Schutz des Geistes und des Himmels uns wappnen, damit wir am bösen Tag den Drohungen des Teufels im Kampf standhalten können.

Wir wollen den Panzer der Gerechtigkeit anlegen, damit unsere Brust gegen die Pfeile des Feindes gefestigt und gesichert ist. Beschuht und bewehrt seien unsere Füße mit der Lehre des Evangeliums. Wenn wir uns darum anschicken, die Schlange zu zertreten, wird sie uns nicht beißen und zum Straucheln bringen können. Liebe Brüder, das hafte fest in eurem Herzen! Wenn der Soldat Christi dies bedenkt und erwägt, wenn der Tag der Verfolgung über ihn kommt, dann wird er, in den Geboten und Mahnungen des Herrn erzogen, sich nicht vor dem Kampf fürchten, sondern für den Kranz bereit sein. 

(Cyprian von Karthago, Über das christliche Martyrium) 


Ohrwurm der Woche 

Del Shannon: Runaway 


Dieser Song aus dem Jahr 1961 verdankt seinen Status als Ohrwurm der Woche vorrangig der Tatsache, dass er auf dem Gorkistraßenfest von den Rockabilly-Brüdern performt wurde. Und zwar, wie ich bei aller Sympathie für die Musiker sagen muss, nicht besonders gut. Oder sagen wir so: Wenn man diesen Song nur mit Akustikgitarre und ein bisschen Schlagzeug und dazu in einem eher am frühen Elvis orientierten Gesangsstil interpretiert, dann fehlt ihm einfach das Wesentliche, nämlich zum einen der Falsettgesang im Refrain und zum anderen das Musitron-Solo. Na, jedenfalls veranlasste mich diese wenig überzeugende Live-Coverversion, mir mal wieder das Original anzuhören. 

Hinsichtlich seiner Stellung in der Popmusik-Historie ist "Runaway" ein interessanter Fall: 1961 war die wilde Zeit des frühen Rock'n'Roll definitiv vorbei, die Beatles hatten ihren großen Durchbruch noch vor sich; der vom Militärdienst in Deutschland zurückgekehrte Elvis machte peinliche Filme, und was sich sonst noch Rock'n'Roll nannte, klang deutlich kommerzieller, glatter und harmloser als früher™️. Das könnte man tendenziell vielleicht auch über "Runaway" sagen – wäre da nicht dieses krasse Musitron-Solo, das, da lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster, schon auf den psychedelischen Garagenrock der zweiten Hälfte der 60er vorausweist. Das Musitron war übrigens eine von Del Shannons Keyboarder Max Crook selbstgebaute Frühform des analogen Synthesizers. 


Mittwoch, 10. April 2024

Abbrüche und Neuanfänge: Zur (volks-)kirchlichen Situation in der nördlichen Wesermarsch

Am diesjährigen Ostersonntag habe ich mir auf YouTube eine Osterpredigt aus dem Jahr 2020 angesehen; wir erinnern uns: Ostern 2020, da war Corona, da war Lockdown, öffentliche Gottesdienste durften nicht stattfinden – da entdeckten nicht wenige Kirchenleute die digitalen Medien als einen Weg, dennoch irgendwie die Leute zu erreichen. Manch ein Geistlicher fremdelte wohl ein wenig mit diesem Setting und wirkte darin folglich etwas fehl am Platz; nicht so jedoch der Prediger in diesem Ostervideo: Matthias Kaffka, ein junger Mann mit rotem Hipsterbart, dazu passender Brille und T-Shirt, der in betont lässig-kumpelhaftem Tonfall über Christopher Nolans Batman-Film "The Dark Knight" spricht, den er im Lockdown auf Netflix gesehen hat. Ja, natürlich zieht er Parallelen zwischen Batman und Jesus. Ja, man kann den Versuch, bloß nicht "churchy" 'rüberzukommen, schon ein bisschen bemüht finden, aber Kaffka ist immerhin ein Typ, dem man diesen "Ey Mann"-Gestus abkauft. Das Erstaunlichste an der ganzen Sache ist eigentlich, dass er nicht Pastor einer hippen Non-Denom-Freikirche in Berlin-Mitte oder einem vergleichbar gentrifizierungsbetroffenen Bezirk irgendeiner anderen Großstadt ist, sondern evangelisch-lutherischer Pfarrer in Abbehausen, einem Dorf in der Wesermarsch, das seit 1974 zur Stadt Nordenham gehört, kirchlich aber nach wie vor zu Butjadingen gerechnet wird. 

Wie man sich vielleicht vorstellen kann, ist das auch genau der Grund dafür, dass ich überhaupt auf dieses Video aufmerksam geworden bin: Ich war neugierig, was der Pastor Kaffka für einer ist. Vor fast zehn Jahren, im Herbst 2014, wurde er vom Abbehauser Gemeindekirchenrat einstimmig zum Pfarrer gewählt; infolge des massiven Abbaus von Pfarrstellen in der Oldenburgischen Landeskirche ist er inzwischen auch für die Kirchengemeinden in Stollhamm, Eckwarden und Tossens zuständig. Aber nicht mehr lange: Zum 1. August gibt er seine jetzige Stellung auf und geht nach Schottland. Die zum Auslandsdienst der EKD gehörenden Deutschsprachigen Gemeinden in Schottland und Nordost-England mit Sitz in Edinburgh haben ihn für die Dauer von sechs Jahren zu ihrem Pfarrer gewählt. Dass er sich eine solche Karrierechance nicht entgehen lassen möchte, ist ihm schwerlich zu verdenken; umgekehrt ist es aber wohl auch verständlich, dass die Butjenter ihn ungern ziehen lassen. Die Kommentare auf der Facebook-Seite der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Abbehausen lassen darauf schließen, dass Kaffka in der Gemeinde ausgesprochen beliebt war bzw. ist; aber auch davon abgesehen stellt sein Abschied die evangelische Kirche vor Ort vor eine schwierige Situation: Außer ihm gibt es in ganz Butjadingen nur noch einen evangelischen Pfarrer, und der – Klaus Braje, seit 1987 (!) Pastor in Burhave, wo ich aufgewachsen bin – steht kurz vor dem Ruhestand. 

Symbolbild, Quelle: Pixabay 

In der auf der Facebook-Seite der Abbehauser Kirchengemeinde veröffentlichten Pressemitteilung über Matthias Kaffkas bevorstehenden Weggang heißt es über die "Vakanzzeit" – "also die Zeit, wenn kein Pfarrer vor Ort ist", dass "[d]ie Kreispfarrerin und die benachbarten Pfarrer" die vakanten Kirchengemeinden "mit betreuen" werden: "Es wird weiterhin Andachten und Gottesdienste geben – und keiner muss sich Sorgen machen, wenn Taufen, Trauungen oder Beerdigungen anstehen. Die Gemeindekirchenratsmitglieder werden auch über die weitere Organisation des Gemeindelebens sprechen." 

Die volkskirchliche Grundversorgung bleibt gewährleistet, lautet also, kurz gefasst, die Botschaft. Gleichwohl erscheint es fraglich, wie bald es der Oldenburgischen Landeskirche gelingen wird, die durch Kaffkas Weggang und Brajes Ruhestand entstehenden Lücken zu schließen – und in welchem Umfang sie dies, angesichts ihrer einerseits durch strikten Sparkurs, andererseits durch einen Mangel an Bewerbern geprägten Personalsituation, überhaupt anstrebt. In den letzten Jahren war immer wieder die Rede davon, dass die Anzahl der Pfarrstellen in Butjadingen, die bis 1986 noch 5½, 2018 immerhin noch 3¼ und zuletzt von der Papierform her 1¾ betrug, auf längere Sicht auf eine einzige reduziert werden solle. Man könnte meinen, die aktuelle Situation biete der Landeskirche eine günstige Gelegenheit für einen solchen Einschnitt. 

Kurz und gut, mir scheint, man sollte die weitere Entwicklung in dieser Sache im Auge behalten. Überraschende Neuigkeiten gibt es derweil aus der katholischen Pfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland: Dort startet dieser Tage ein neuer Glaubenskurs. "Neue Leute kennenzulernen und gemeinsam den Glauben entdecken", steht auf dem Flyer, und weiter unten: "Lern Leute in deiner Umgebung kennen – Sieh dir gemeinsam mit anderen ein Video über den Glauben an – Stelle deine Fragen und teile deine Gedanken". Sicher, unter so einer Beschreibung kann man sich im Guten wie im Bösen so ziemlich alles Mögliche vorstellen, aber ich muss doch sagen, dass ich gerade dieser Pfarrei eine solche Initiative schwerlich zugetraut hätte. Dies gilt umso mehr, als der Flyer das Logo des Alpha-Kurses trägt; und das ist, nach allem, was ich darüber gehört habe, nun wirklich ein Gütesiegel

"Alpha ist eine Reihe von Treffen, bei denen der christliche Glaube in entspannter Atmosphäre entdeckt werden kann", heißt es in betont niederschwelliger Diktion auf dem Flyer. Entwickelt wurde dieses Veranstaltungsformat in den 1970er Jahren in der angelikanischen Holy Trinity-Gemeinde in Brompton, einem Stadtteil von London; nach Deutschland gebracht wurde es zuerst 1996 von der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche (GGE), einer charismatischen Strömung innerhalb der evangelischen Landeskirchen. Heute wird das Konzept aber quer durch (fast) alle christlichen Konfessionen praktiziert. Der kanadische Priester und Gemeindeerneuerungs-Berater James Mallon bekennt sich in seinem Buch "Divine Renovation – Wenn Gott sein Haus saniert" dazu, "ein großer Fan von Alpha-Kursen" zu sein: 

"Nach dem ersten Alpha-Kurs wusste ich, dass er funktionierte. Die Hungruigen wurden gespeist, die Lauen wurden zum Leben erweckt und Nicht-Kirchgänger und sogar Nichtglaubende kamen zum Glauben an Jesus und kehrten in die Kirche zurück. [...] Noch nie vorher hatte ich in der Pastoral solche Früchte für das Apostolat gesehen [...]. Dieser Kurs war in der Lage, Menschen aus verschiedenen Milieus und Glaubensniveaus anzusprechen und zu berühren" (S. 182). 

– Und das gibt es jetzt in Nordenham? Zeichen und Wunder, kann man da wohl nur sagen! – Fragt man sich, woher es kommen mag, dass diese Pfarrei plötzlich Interesse an Neuevangelisierung zeigt, dann gibt es allerdings eine naheliegende Vermutung: Ich halte es für mehr als wahrscheinlich, dass die Initiative dazu von dem (mittlerweile nicht mehr ganz so) neuen Subsidiar Michael Kenkel ausgegangen ist, der ja u.a. auch in der Karl-Leisner-Jugend aktiv ist. Wie ich schon mal erwähnt habe, stand Kenkel, als er in den Jahren 2011-21 Pfarrer in Raesfeld war, wegen seiner Nähe zu innerkirchlichen Bewegungen und Strömungen in der Kritik , die als "rückwärtsgewandt" und "fundamentalistisch" wahrgenommen wurden – was von solchen Zuschreibungen zu halten ist, ist ja hinlänglich bekannt: Als "rückwärtsgewandt" gelten im Jargon des liberalen deutschen Funktionärs- und Gremienkatholizismus praktisch alle, die für die Zukunft der Kirche eine andere Vision haben als die Agenda des Schismatischen Wegs; und um in den Ruf des "Fundamentalismus" zu geraten, genügt es schon, die Aussagen des christlichen Glaubensbekenntnisses vollumfänglich zu bejahen und nicht bloß in einem metaphorischen Sinne gelten zu lassen

Ich will's mal so sagen: Sollte es Michael Kenkel gelingen, eine geistliche Erweckung an einem Ort in Gang zu bringen, an den er zwar nicht unbedingt im strikten Wortsinne strafversetzt, aber doch so etwas Ähnliches wie strafversetzt wurde, nachdem er seine vorherige Pfarrstelle infolge von Vorwürfen grenzüberschreitenden Verhaltens verloren hatte, dann wäre das wohl mal wieder ein Fallbeispiel dafür, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann. Natürlich wünsche ich dem Projekt allen erdenklichen Erfolg und möchte auch nicht die Gelegenheit versäumen, meine Leser dazu aufzurufen, für den Alpha-Kurs in Nordenham zu beten; aber eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Erfolgsaussichten kann ich dennoch nicht abschütteln. Sicher ist der Alpha-Kurs ein gutes Instrument auf dem Weg zum Glauben, aber wie sieht es denn mit dem weiteren Wachstum im Glauben aus? Ich muss sagen, ich beneide die Leute nicht, die durch einen Alpha-Kurs den Glauben entdecken und dann in einer Gemeinde landen, in der schauderhafte, nicht selten geradezu sakrilegische Liturgieverhunzung betrieben wird, wo das Niveau der Verkündigung irgendwo zwischen Phil Bosmans und den Kleinen Leuten von Swabedoo liegt und wo Aktionen wie "Segne Dich selbst" angeboten werden. Manch einem mag es da ergehen wie denjenigen Samenkörnern im Gleichnis vom Sämann, die zwar schnell zu keimen beginnen, dann aber wegen des ungeeigneten Bodens verdorren. 

Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Zusammenhang, dass es in Herz Jesu Tegel, ein paar Jahre bevor meine Liebste und ich in diese Gemeinde kamen, auch mal Alpha-Kurse gab – die allerdings eingestellt wurden, nachdem ein leitendes Mitglied der benachbarten Gemeinde der Siebenten-Tages-Adventisten dieses Angebot dazu genutzt hatte, für seine Glaubensrichtung zu missionieren. Dies mal als warnendes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man ein Evangelisierungs-Angebot in einer Gemeinde ansiedelt, die keine gesunden Bedingungen für geistliches Wachstum bietet. 

Aber versuchen wir's mal optimistisch zu sehen: Wenn der Alpha-Kurs schwerpunktmäßig junge Erwachsene anspricht und diese sich dann mit dem Enthusiasmus ihres neu gefundenen Glaubens aktiv ins Gemeindeleben einbringen, könnte es gelingen, die Kultur in der Gemeinde allmählich zu verändern – zumal wenn diese jungen Erwachsenen in absehbarer Zeit Kinder haben werden, während die noch vom früheren Pfarrer Bögershausen geprägten Boomer Catholics ja wohl allmählich mal aussterben dürften. Auch hier gilt also: Es dürfte sich lohnen, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten... 



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Dienstag, 9. April 2024

Zur Hölle mit schlechten Predigten

Ich schätze, es ist eine verbreitete menschliche Erfahrung, dass einem an anderen Menschen besonders diejenigen Untugenden unangenehm auffallen, zu denen man selbst neigt. Ich zum Beispiel rege mich häufig über eine spezielle Form von Wichtigtuerei auf: wenn Leute bei jeder Gelegenheit betont beiläufig erwähnen müssen, was sie alles wissen und können und gelernt haben, wo sie schon überall gewesen sind und was sie in ihrem Leben schon alles gemacht haben – und damit offenkundig die Absicht verfolgen, ihren Ansichten über Dieses und Jenes größeres Gewicht zu verleihen. Und wenn mir jetzt jemand auf den Kopf zusagen würde, genau das täte ich aber selber gern und oft, könnte ich vielleicht mehr oder weniger schlüssig begründen, warum ich der Meinung bin, das sei etwas anderes, aber ganz und gar abstreiten könnte ich es nicht

Ich hoffe allerdings, dass ich diese Neigung wenigstens dann unterdrücken könnte, wenn ich Priester wäre und eine Messe zu halten hätte. Weil mir dann hoffentlich bewusst wäre, dass es – auch wenn ich derjenige bin, der vorne steht und redet, während die anderen zuhören müssen – in der Messe nicht um mich geht.

Priester, die zuweilen den Eindruck erwecken, diese Erkenntnis nicht so ganz verinnerlicht zu haben, habe ich über die Jahre schon einige erlebt. Aber natürlich gibt es da graduelle Abstufungen. Ganz und gar frei von Eitelkeit ist wohl kaum jemand, zu dessen Tätigkeitsprofil das Reden vor Publikum gehört. Problematisch wird es, wenn ein Priester den Eindruck erweckt, er stelle nicht zuletzt deshalb so sehr sich selbst in den Mittelpunkt, weil er über das, was eigentlich im Zentrum seiner Verkündigung stehen sollte, nicht viel zu sagen weiß. 

Dies und anderes ging mir anlässlich einer Messe durch den Kopf, die ich am Mittwoch der 4. Fastenwoche zusammen mit meinem Jüngsten besuchte. Es ist ja recht verbreitet, um nicht zu sagen üblich, dass in Werktagsmessen nicht gepredigt wird; so war es auch hier, oder eben auch nicht, denn zum Ausgleich für den Wegfall der Predigt baute der Zelebrant seine Begrüßungsworte zu einem zweiminütigen Predigtimpuls aus. Auch das ist etwas, was man öfter erlebt, und ich muss sagen, ich verstehe immer nicht, was das soll. Wenn ein Priester auch werktags predigen möchte, ist das ja legitim und laut Can. 767,3 CIC sogar "sehr empfohlen [...], besonders in der Adventszeit und österlichen Bußzeit". Wieso kann man dann die Predigt, selbst wenn sie nur zwei Minuten lang ist, nicht an der Stelle halten, wo sie vom liturgischen Ablauf her hingehört – nach dem Evangelium –, sondern muss sie partout an einer anderen Stelle einbauen? Will man damit signalisieren "Es ist ja gar keine Predigt bzw. will keine sein, sondern nur ein Impuls"? Also, ich weiß ja nicht. 

(Natürlich gibt es auch Priester, die – allerdings eher an Sonntagen oder Hochfesten, wenn die Kirche leidlich voll ist – in den Begrüßungsworten predigen und in der eigentlichen Predigt nochmal; und dann gern noch ein drittes Mal vor dem Schlusssegen. In extremen Fällen finden sie dazwischen noch ein paar weitere Gelegenheiten zum Predigen, zum Beispiel vor und nach den Fürbitten oder in der Überleitung vom Vaterunser zum Friedensgruß. Aber das sei nur als Randbemerkung festgehalten, auch wenn es durchaus einen gewissen Zusammenhang mit dem hier verhandelten Thema aufweist.)

Das Evangelium vom Tag war Johannes 5,17-30: die Selbstoffenbarung Jesu als Sohn Gottes. Darin ist auch vom Gericht über die Toten die Rede ("Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, werden zum Gericht auferstehen", V. 29); insofern erscheint es nicht völlig abwegig, dass der Priester seinen Zwei-Minuten-Predigtimpuls mit dem Hinweis begann, er habe "aus verschiedenen Zusammenhängen mal – eigentlich sollte das sogar ein ganzer Aufsatz für eine Zeitschrift werden – einen Vortrag zum Thema Hölle ausgearbeitet". Aha, nun gut. Und was hatte er der Gemeinde nun über den Inhalt dieses Vortrags mitzuteilen? – 

Für den einen ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert, für den anderen mit schlechten Predigten. 
(Symbolbild: Eugène Delacroix, Dante und Vergil in der Hölle, 1822; gemeinfrei)

Dass sich im Alten Testament zunächst die Vorstellung findet, "die Scheol, die Unterwelt", sei ein gewissermaßen neutraler Ort, an den alle Verstorbenen kommen, unabhängig davon, ob sie im Leben gut oder böse waren, hatte ich durchaus auch im Religionsunterricht auf dem Gymnasium schon mal gehört. Weiter führte der Geistliche aus, erst ungefähr ab dem 2. Jahrhundert vor Christus habe sich "so langsam die Auffassung" durchgesetzt, "dass vielleicht doch irgendwie noch unser irdisches Leben auch irgendwie einen Einfluss darauf hat, wie es uns dann mal später nach dem Tod geht" (dass er für jemanden, der vorgeblich weiß, wovon er redet, ein bisschen oft das Wort "irgendwie" verwendet – insgesamt sechsmal in wie gesagt nur zwei Minuten –, sei nur am Rande angemerkt). So tauche etwa die Vorstellung auf, die Gerechten würden ihr Leben nach dem Tod "im Schoße Abrahams" verbringen, wohingegen diejenigen, die "nicht so anständig waren, [...] irgendwie in einen Zustand kommen", wo sie "fern bleiben von Gott". Im Tagesevangelium, so fügte er hinzu, klinge der Gedanke unterschiedlicher Formen des jenseitigen Lebens "auch schon ein bisschen so an". – Ein bisschen? Schauen wir uns die betreffende Passage noch einmal im Zusammenhang an: 

"Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben. Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben. Und er hat ihm Vollmacht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist. Wundert euch nicht darüber! Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, werden zum Gericht auferstehen." 

Ich würde sagen, "ein bisschen" trifft hier den Sachverhalt nicht so ganz. Gleichwohl erklärte der Priester, "bei der Beschäftigung mit diesem Thema" habe er "gelesen, dass es eigentlich noch gar keine ausgefeilte Theologie von Himmel und Hölle und sowas gibt im Neuen Testament". Aha. Ach so. Na dann. Auch wenn "da natürlich schon erste Anklänge daran sind, was dann schon geglaubt wurde und was Jesus dann auch schon im Gegensatz zu einigen seiner Zeitgenossen weiterführt". – An dieser Stelle, so denkt man unwillkürlich, hätte es nun interessant werden können: Darüber, wie genau Jesus das, was damals "schon geglaubt wurde", "weiterführt", und dies sogar "im Gegensatz zu einigen seiner Zeitgenossen", hätte man doch vielleicht gern noch etwas mehr erfahren. Stattdessen machte der Priester an dieser Stelle einfach einen Punkt und leitete zum Kyrie über. --- 

Fragen wir uns an dieser Stelle: Was für eine Botschaft soll so ein Predigtimpuls eigentlich der Gemeinde vermitteln, was teilt sich den Gottesdienstteilnehmern darin mit außer "Theologie ist eine richtige Wissenschaft, ich habe sehr viel lernen müssen, um hier vorne stehen zu dürfen, also respektiert mich bitte"? – Wie schon gesagt, ein gewisser Hang zur Eitelkeit ist bei Leuten, die beruflich vor Publikum sprechen, ganz normal und ist hier nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem ist vielmehr, dass dieser Zwei-Minuten-Predigt eine klare Aussage fehlt, mit der die Hörer etwas anfangen können und die ihnen eine Wegweisung bieten könnte. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, über das Ob und Wie eines Lebens nach dem Tod könne man letztlich nicht mehr sagen als "Nichts Genaues weiß man nicht": Alles, was darüber in der Bibel steht, erscheint als Ergebnis dessen, was Menschen sich zu verschiedenen Zeiten gedacht und vorgestellt haben, selbst Jesus hatte "keine ausgefeilte Theologie von Himmel und Hölle"; was die Kirche zu diesen Fragen lehrt, kommt überhaupt nicht in den Blick. Am Ende steht nur ein vages "Wir dürfen ja glauben, dass wir zur Ewigkeit, zum Heil, zur ewigen Gemeinschaft mit Gott bestimmt sind". 

"Wir dürfen glauben", das ist so eine klassische Formulierung, mit der man sich um eine klare Positionierung herumdrückt. Auch und gerade, was den eigenen Glauben, die eigene Gottesbeziehung angeht. Wenn der Mann in seinen Predigten schon so gern über sich selbst spricht, warum hört man dann dazu so gut wie nie etwas von ihm? Ich muss gestehen, bei seinen Ausführungen darüber, wie man sich zur Zeit des Alten Testaments die Scheol vorstellte – als einen "Zustand, wo man, ja, so irgendwie dahinvegetiert, wo eigentlich nichts passiert, wo man auch keine Beziehung mehr zu Gott hat" –, konnte ich den Gedanken nicht ganz unterdrücken, das klinge so, als beschriebe er, wie er selbst jetzt schon lebt

Sehr bezeichnend scheint es mir auch, wie er die Voraussetzungen dafür beschrieb, nach dem Tod "irgendwie weiter in Gemeinschaft mit Gott leben" zu können: Diese Möglichkeit, so meinte er, verhießen die etwa ab dem 2. Jh. v. Chr. entstandenen biblischen Zeugnisse denjenigen, die "einigermaßen anständig gelebt haben". In der Überleitung zum Kyrie griff er diese Formulierung nochmals auf: "Bitten wir den Herrn um sein Erbarmen, dass es uns gelingt, einigermaßen anständig zu leben". #Sorrynotsorry, aber dafür, die Größe und Schönheit der christlichen Glaubenslehre, die zu verkünden eigentlich die Aufgabe des Priesters wäre, auf die fade, dröge Mahnung zu reduzieren, "einigermaßen anständig zu leben", fällt mir kein passenderweise Wort ein als "erbärmlich". 

Der Haken an der Sache ist natürlich, dass die Forderung, "einigermaßen anständig zu leben", ein ganzes Bündel von Verhaltungserwartungen umfasst – und dabei suggeriert, es gäbe einem allgemeinen Konsens darüber, was alles in dieses Bündel hineingehört. Gehört es zum anständigen Leben, nicht mit vollem Mund zu reden, sich regelmäßig die Zähne zu putzen, täglich die Socken zu wechseln? Seinen Dispo-Kredit nicht zu überziehen? Seinen Müll zu trennen, Bio-Produkte zu kaufen, nicht AfD zu wählen? Der hier in Frage stehende Priester würde, wie ich ihn kenne, wahrscheinlich "Ja" sagen, aber es geht mir hier – wie immer – nicht um eine einzelne Person. Es wäre den Aufwand, diesen Artikel zu schreiben, gar nicht wert, wenn es nur um die individuellen Marotten eines einzelnen Geistlichen ginge. Dennoch sei es mir verziehen, wenn mir in diesem Zusammenhang eine andere Predigt desselben Priesters einfällt: Sie hätte genausogut auch von jemand anderem sein können, und ich gehe davon aus, dass der größte Teil meiner Leser ihn sowieso nicht kennt. 

In der Predigt, die ich meine – und über die ich schon damals, vor fast viereinhalb Jahren, gebloggt habe –, ging es um das Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31), außerdem war gerade Erntedank, und die Aufgabe, beides auf einen Nenner zu bringen, löste der Priester, indem er über Lebensmittelverschwendung predigte. Damit aber nicht genug: Den Satz "Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören" (V. 29) nahm er zum Anlass, die Uneinsichtigkeit der Leute zu tadeln, die beispielsweise den Klimawandel leugnen. In diesem Sinne, so meinte er, übernähmen heutzutage die Medien die Funktion der Propheten. – Zu dieser Predigt gab es seinerzeit ein Nachgespräch, und darin äußerte ich, diesen Bezug zum Thema Klimawandel fände ich nicht überzeugend: Im Kontext der Bibelstelle gehe es schließlich recht eindeutig darum, dass die Brüder des reichen Prassers von Mose und den Propheten lernen sollen, wie sie es vermeiden können, in die Hölle zu kommen; wäre es da nicht vielleicht sinnvoll, das auch in der Predigt anzusprechen? – 

Um mal meinen eigenen damaligen Artikel zu zitieren: "Der Pfarrer schaltete sofort in den Rechtfertigungsmodus  und erklärte, er würde ja durchaus auch mal über die Letzten Dinge predigen". Aus heutiger Sicht muss ich sagen: Wenn dieses Predigen über die Letzten Dinge so aussieht wie oben geschildert, sollte er es vielleicht lieber bleiben lassen


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